Re: Der Wert von Musik an sich

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latho
No pretty face

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Beiträge: 38,473

Mikko[…]
Um mal wieder zum Thema zu reden, wie könnte denn künftig der Wert von Musik definiert werden? Mal abgesehen von den persönlichen, z.T. ganz privaten Gründen der Wertschätzung, wie kommt man zu verallgemeinerbaren Kriterien den Wert von Musik betreffend? Wenn der Tonträger und seine Wertigkeit als Kriterium ausscheiden, was hilft uns dann einzuordnen wie „wertvoll“, „bedeutend“, „wichtig“ eine Aufnahme ist?

Die persönliche Wertschätzung von Musik – was bedeutet Musik im allgemeinen für mich – ist natürlich jeden selbst überlassen. Und da spielen viele Faktoren mit: was bedeutet Musik im alltäglichen Leben. Bei mir: eine Menge aber nicht alles, grob gezählt habe ich in etwa 5 Hobbies für die ich Geld und Zeit ausgebe. Ich verdiene mein Geld nicht mit Musik, sollte ich also die Musik mal ein paar Monate „sein lassen“, bin ich nicht pleite. Ich unterhalte mich mit Freunden über Musik, aber es ist nicht ausschließliches Thema (wobei ich so etwas nicht schlecht finden würde), Kommunikation zu anderen findet also auch so statt, etc pp.

Mikko
Es wird ja doch – gerne auch hier in diesem Forum – beklagt, dass die immer gleichen Kritiker uns sagen, was wir zu hören haben, was wichtig ist. Auch die TOP 500 Album respektive Track Listen wurden kritisiert, weil sie die immer gleichen meist recht alten Bekannten enthalten. Sind das nun vielleicht wirklich die „wertvollsten“ Tracks?
Nicht dass wir uns falsch verstehen. Ich will hier nicht über die 500 besten Tracks aller Zeiten reden. Aber die Art und Weise wie wir halbwegs vergleichbare Kriterien finden, den Wert von Musik, von Aufnahmen festzulegen – zu messen von mir aus – möchte ich gerne klären. Falls das überhaupt möglich ist.

Das sollte schon möglich sein. Wenn hier jemand eine Top-500-Liste aufstellt und andere darauf gereizt reagieren, ist das doch das Problem des Reagierenden. Zu oft habe ich das Gefühl, dass die Reaktionen im Forum auf apodiktisch geschriebene Posts und Listen eher etwas mit einem Minderwertigkeitskomplex zu tun hat, als mit der Akzeptanz der Liste. Klar wird der Ton dann heftiger.

Mikko
Ich bezweifle das nämlich sehr. Es gibt einfach zu viele unterschiedliche Herangehensweisen. Ein wesentlicher Aspekt ist Kommunikation. Irgendwer hat das hier im Thread schon mal gesagt. Der Austausch von Musik Interessierten untereinander ist wichtig zur Selbstreflektion wie zur Findung verallgemeinerbarer Kriterien. Das bedeutet für jede/n, die/der mitreden will, lesen, lesen lesen und hören, hören, hören. Vergleichen, diskutieren, verwerfen.
Und da kommen wir dann wieder zu der Frage, die ich weiter oben unter dem Stichwort „Niveau“ angesprochen habe. Die Voraussetzungen der Diskutanten – zumindest in diesem Forum hier – sind sehr heterogen. Nicht zuletzt deshalb wird hier auch gern mal aneinander vorbei geredet. Es passiert leider immer wieder, dass jemand gar nicht versteht (oder verstehen will), was ein anderer geschrieben hat. Nichtsdestotrotz wird weiter munter drauflos gemeint und behauptet. Wie soll man da zu einem allgemein halbwegs verbindlichen Konsens kommen? Nicht Konsens der Werturteile, versteht mich nicht falsch. Aber Konsens über den Weg zur Erkenntnis.
Es ist wohl schlicht unmöglich.

Aber trotzdem passiert es. Es tauschen sich doch Leute hier im Forum über Musik aus und zwar in einer Weise, die (nicht immer, aber oft genug) jenseits von „Finde ich gut“ und „Ist meine Meinung“ passiert. Die eine Platte oder auch ein Lied neben den hard facts (zB Erhältlichkeit, Discographie, Mitspielende etc) in Einzelteile herunterbricht und sich darüber unterhält. Das läuft sicherlich von Gruppe zu Gruppe (die es hier im Forum gibt – und um mal das Wort Fraktion zu vermeiden) unterschiedlich ab, aber im Grundsatz entdecke ich hier schon ernsthafte Unterhaltungen über Musik. Natürlich mit viel white noise dazwischen, aber dies ist ein öffentliches Forum und Gebabbel sowie Trolle sind nun mal nicht auszuschließen.

Wie kann ich den Wert von Musik, eines bestimmten Stückes bestimmen? Gegenfrage: ist das denn hier schon passiert (und zwar wenn sich mehr als zwei unterhalten haben). Gibt es eine Möglichkeit , zB „Exile on Main St.“ objektiv zu bewerten? Können wir Diskussionsgrundlagen entwickeln, die die Platte dann quasi objektiv einordnet? Ich denke nicht. Man sieht das doch an den vermeintlichen Säulenheiligen – die Stones? Ganz sicher nicht, ebenso wenig wie die Beatles. Dylan? Vielleicht, aber welcher Dylan? Steely Dan (darauf könnte otis antworten :sonne:)? Ich kann mit den Smiths nichts anfangen. Und so weiter und so fort. Ein weiterer Fingerzeig: die ewig unfruchtbaren Konsenslisten, mit denen am Ende vielleicht jeder leben kann, aber keiner sterben will.
Fazit: Eine objektive Einordnung von Musikstücken (sprich: eine allgemeingültige Haltung) halte ich für unmöglich, aber der Versuch – also die Kommunikation darüber – ist doch etwas sehr Schönes und stellt den eigentlichen Wert dar.

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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.