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Dominick BirdseyDie Pauschalisierung „Was nichts kostet, ist auch nichts wert“ sollte vielleicht besser erklärt werden, als das hier bisher geschehen ist. Insbesondere wenn Mikko otis hier beipflichtet, allerdings im Eröffnungsthread bereits exakt das Gegenteil dadurch belegt hat, dass das Schlaflied seiner Mutter einen viel größeren (Stellen-)Wert für ihn besitzt, als jede Aufnahme oder Komposition (und ich erlaube mir jetzt mal die Künstler wegzulassen). Zudem ist es ja möglich, dass ein Gönner euch die seltenste und teuerste Vinylpressung eines von euch heißgeliebten Künstlers schenkt. Ist nach obiger Definition ja nichts wert, hat ja nichts gekostet. Wäre der obige Satz steigerbar im Sinne von: was mich mehr gekostet hat, ist auch mehr wert? Was das Finanzielle angeht, gewiss; aber ist sie deshalb wertvoller im Sinne der persönlichen Vorliebe? Konkret: Mein teuerstes erworbenes Album ist ganz gewiss nicht mein liebstes und auch garantiert nicht das beste, was in meinem Regal steht. Deshalb sollte man die verschiedenen Werte unterscheiden:
a) der individuelle Stellenwert von Musik (der kann, muss aber nicht, abhängig vom Ton- bzw. Datenträger sein)
b) der tatsächliche (und damit greifbare und nachvollziehbare) Sammler- bzw. MarktwertDer zweite Punkt ist der deutlich einfachere, weil er messbar ist. Es gibt Kataloge, in denen man nachschauen kann, wie selten eine Aufnahme ist, was sie möglicherweise kostet. Ich kann stolz meine Plattensammlung präsentieren und mit Fug und Recht behaupten: dies ist derzeit meine wertvollste Platte.
Das geht mit dem erstgenannten Punkt nicht. Das wertvollste Stück Musik muss nicht auf einem Ton- bzw. Datenträger haptisch verfügbar sein (wie das Schlaflied). Kann es aber. Und wenn dem einen es genügt, es in minderer Qualität auf seiner Festplatte zu haben, dann darf es dem anderen genauso recht sein, es in großartiger Qualität als rare Vinylsingle im Regal verstauben zu lassen. Völlig egal.
Wieder eine andere Frage ist die, ob durch das riesige Angebot, der im Internet zur Verfügung stehenden Tracks, Musik zur Beliebigkeit verkommt. Nur weil die Quantität zunimmt, heißt das doch nicht zwangsläufig, dass die Qualität abnimmt, oder? Und wer nölt denn die ganze Zeit, dass es kleine Bands so schwer haben, überhaupt mal einen Fuß in die Tür der Musikbranche zu stellen. Kaum schafft es mal eine Band wie die Arctic Monkeys (die ich unabhängig davon langweilig finde) auf ungewöhnlichem und originärem Wege, ist das auch wieder nicht gut, wegen „Unkontrollierbarkeit der virtuellen Welt“? „Das Insistieren von Vinylfans auf ihre Vorliebe“ ist erstmal genau das (dann noch eine kleine Alliteration), aber ganz gewiss nicht eine „unbewusste Abwehr gegen diese Beliebigkeit“, als vielmehr ein Insistieren auf bekannte und vertraute und greifbare Werte.
Was nichts Negatives ist. Deshalb muss man nicht gleich einen Kassandra Komplex bekommen und die Bedeutung der Musik in und für zuküftige(n) Generationen schwarzmalen.
Hier noch mal einige Thesen aus der Münster-München-Fraktion ;-). Ich weiß nur nicht, ob diese Argumente oder auch das, was ich über zum Wert digitaler Information geschrieben habe, wirklich verstanden wurden.
@mikko: Ich meine mit „Berliner Fraktion“ (zu der ich Sebastian hinzurechne), genau was Du schreibst. Das ist natürlich kein Verein mit Satzung und Gruppenzwang, das sind ausgesprochene Individualisten. Die müssen auch gar nicht die dicksten Freunde sein, darum geht es hier sowieso nicht.
Aber es gibt bestimmte gemeinsame Werte, Haltungen und Einstellungen, die konträr liegen zu denen anderer Musikliebhaber liegen, allen voran die besondere Wertschätzung des Vinyls. Ich kann diese Haltung auch durchaus verstehen, besonders die Single-Threads haben mir viel vermittelt.
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