Re: The Small Faces

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bmrberlin

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Ein Artikel aus der Wiener Zeitung

Im ewigen Kampf mit „Melvin“

Steve Marriott, im Banne von Drogen und bösen Geistern. Von Bernhard Torsch

Feuer spielt im Leben des britischen Sängers und Gitarristen Steve Marriott eine entscheidende Rolle. Ein Feuer, das er selbst gelegt hat und das seine Schule in Schutt und Asche legt, bringt ihn als 12-Jährigen zum ersten Mal auf die Titelseite einer Zeitung. Ein anderes Feuer kostet ihn 1991 das Leben.

Bis heute ist umstritten, ob der Wohnungsbrand, bei dem Steve starb, ein Unfall war, oder ob Melvin, der glatzköpfige Ringer, seine Finger im Spiel hatte.

Sie kennen Melvin, den glatzköpfigen Ringer, nicht? Seien Sie froh! Melvin war Steve Marriotts böses Alter Ego, ein manischer Freak mit einem ungesunden Hang zur Gewalttätigkeit. Nüchtern war Steve ein freundlicher Mensch und der großartige Frontman von den „Small Faces“ und „Humble Pie“. Aber wenn er trank und dazu vielleicht noch Speed einwarf, veränderte er sich und wurde unberechenbar.

Er selbst gab diesem zweiten Ich, das dann zum Vorschein kam, den Namen „Melvin the bald headed wrestler“ . Dumm war nur, dass Melvin irgendwann damit begann, völlig unangemeldet zu erscheinen – und zwar auch dann, wenn Marriott nüchtern war.

Vom Film zur Rockmusik

In den frühen 60er Jahren spielt ein noch pubertierender Marriott in einigen Filmen mit, unter anderem in der schrägen antiklerikalen Komödie „Heavens above“ an der Seite der Komikerlegende Peter Sellers. Doch 1964, dem Jahr der Beatles und der Stones, hat er genug von der Schauspielerei und wendet sich der Rockmusik zu.

Zuerst spielt er Mundharmonika bei einer Kapelle namens „Andrew Oldham Orchestra“, gründet aber bald seine eigene Truppe, „The Frantics“. Dort beginnt er zu singen und Gitarre zu spielen und überrascht die noch spärlich gesäten Zuhörer mit einer souligen Powerstimme und harten Songs. Ähnlich wie bei Steve Winwood wundert sich die Musikwelt darüber, dass so ein dahergelaufener Weißer wie ein schwarzer Soul-shouter aus Detroit klingt. Anfang 1965 trifft Steve Ronnie Lane – und die Lunte zur Explosion einer der besten, aber auch unterschätztesten britischen Bands der 60er beginnt zu glimmen.

Ronnie Lane und Steve Marriott sind beide Mods, also Teil jener typisch englischen Jugendkultur, deren wesentliche Merkmale das Fahren von Vespas, das Tragen von Regenmänteln und schicken Anzügen sowie das Saufen und Speed-Schlucken sind. Die Small Faces sollten das Mod-Feeling verkörpern wie sonst nur noch The Who. Mit der Bande um Roger Daltrey haben Marriott & Co noch mehr gemeinsam als bloß die Fanbasis unter den Mods. Beide Bands spielen sehr energiegeladen und rhytmusorientiert, beide haben einen tollen Drummer, und beide versinken im Drogensumpf. Steve beginnt mit Alk und Speed, aber bald gesellen sich Haschisch und LSD dazu und die Small Faces lieferen einige der originellsten Beiträge zur britischen Psychedelic.

Der erste Hit der Band heißt „Whatcha Gonna Do About It“ und beinhaltet ein Gitarrensolo von Marriott, das später kein Geringerer als Jimi Hendrix als sein Lieblingssolo bezeichnen sollte. Danach folgt eine Perlenschnur an spaßigen Singles wie „Sha La La La Lee“ , der Dealer-Lobgesang „here come the nice“ , die Acid-Hymne „Green Circles“ und natürlich der Überhit der Band „Lazy Sunday Afternoon“ .

Letztere Nummer stammt vom Opus Magnum der Small Faces, der LP „Odgen Nut Gone Flake“ . Auf der 1968 erschienenen Platte übertreffen Marriott und Lane sich selbst. Früher Hardrock vermischt sich mit Psychsounds und das Cover war – rund!

Powerkapelle Humble Pie

Mariott kämpft inzwischen mit einer einsetzenden Schizophrenie und verlässt die Small Faces Anfang 1969. Zusammen mit dem jungen Gitarrengenie Peter Frampton gründet er die Power-kapelle Humble Pie, mit der er, im Gegensatz zu den Small Faces, auch in den USA Karriere machen wird.

Zunächst klingt die Sache nach Räucherstäbchen und Hanfplantagen, aber schon mit dem dritten Album zeigt die Band einem erstaunten Publikum, wie harter Boogie zu klingen hat. Steve Marriott ist freilich kein einfacher Chef, und nachdem er jahrelang mit Frampton um die Vorherrschaft in der Band gekämpft hat, wirft der das Handtuch und startetet eine enorm erfolgreiche Solokarriere mit seiner „sprechenden Gitarre“. Humble Pie machen aber weiter, heuern als Ersatz für Frampton Dave Clempson von Colosseum an und veröffentlichen mit „Smokin“ ihre am besten verkaufte Platte. 1975 bricht die Band auseinander, nachdem Steve einmal zu oft den Melvin hatte raushängen lassen.

Unermüdlich auf Tour

Marriott tourt den Rest der 70er Jahre solo durch die Lande und macht nur manchmal Schlagzeilen, wenn er wieder einmal zu Melvin wird und seine Freundin verprügelt. 1980 trommelt er die letzte Humble-Pie-Besetzung zu einer Reunion zusammen und nimmt mit den Jungs ein Album auf, doch aus dem Comeback wird nichts, da Steve psychisch zu instabil ist.

Die 80er durchlebt der genialische Sänger auf Tourneen und Pubgigs. Unermüdlich reist Marriott rund um die Welt. Nur auf der Bühne scheint er sich vor Melvin sicher zu fühlen. Anfang der 90er Jahre söhnt sich Steve mit Peter Frampton, der inzwischen in Ringo Stars „Allstar Band“ ein Frührentnerdasein führt, wieder aus und die beiden schreiben gemeinsam ein paar Songs. Sie nehmen sogar neues Material auf – und Gerüchte über eine „große“ Humble-Pie-Reunion machen die Runde.

Doch am 21. April 1991 verbrennt Marriott in seiner Wohnung. Es scheint, dass Melvin, der glatzköpfige Ringer, den Kampf doch noch gewonnen hat.

Freitag, 10. Juni 2005

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