Re: Deine Lieblingssongs der 90er

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mistadobalina

Registriert seit: 29.08.2004

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Sonic JuiceIch glaube, die Frage, ob es anständig oder geschmackvoll ist, sein Schicksal in Kunst zu gießen und das in die Öffentlichkeit zu stellen, ist etwas zu komplex, um sie in kurzen Sätzen abzuarbeiten.
Wenn Künstler ihr höchstpersönliches Leid, ihre Depressionen, Agressionen, Selbst- und Welttzweifel nicht in Werke gießen würden, wäre die Kunstwelt nicht nur um einiges ärmer, sondern nahezu bankrott. Starke Emotionen positiver oder negativer Art waren doch immer Hauptantrieb für Kreativität. Wie konkret darf die Umsetzung einer Lebenstragödie sein? Wie authentisch und ehrlich darf oder soll Kunst sein? Darf man damit auch noch Geld verdienen? Schwierig, schwierig.
Wenn Dein ganzes Leben und Deine ganze Leidenschaft im Blues liegt, was ist dann natürlicher, als seine Trauer in einem Song auszudrücken? Wenn man aber sowieso jeden Abend auf der Bühne seine Seele entblößt, warum dann nicht auch diesen Song veröffentlichen. Darf ich aus meiner Drogensucht, meinen Sexorgien, meinem Hass auf Eltern und Exfreundinnen, meinem Nihilismus oder meiner Gottesfurcht Kapital schlagen, aber nicht den Tod meines Sohnes verarbeiten und veröffentlichen?

Ist das höchste Ziel nicht, dass sich der Hörer sogar mit diesen Gefühlen identifizieren kann und ggf. sogar Trost empfindet,wenn ihm ähnliches widerfahren ist? Statt dem Geld, dass ggf. fließt?
Meinst Du dass Clapton das nur aus Abzockegedanken gemacht hat?

Nein, ganz sicher nicht. Ich kann auch nicht in ihn hineingucken. Aber mit persönlicher Trauer, Kummer oder Schmerz geht eben jeder anders um. Ich habe durchaus nichts dagegen, wenn Künstler ihr Innerstes nach Außen kehren. Mitunter – wenn es sehr direkt kommt – berührt es mich allerdings nicht angenehm, sondern unangenehm – wahrscheinlich weil ich selbst mit solchen Dingen anders umgehe. So ähnlich geht es mir aber auch mit Antony oder dem letzten Album von Peter Gabriel.

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When I hear music, I fear no danger. I am invulnerable. I see no foe. I am related to the earliest time, and to the latest. Henry David Thoreau, Journals (1857)