Re: David Gilmour

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Der frühere Gitarrist von Pink Floyd über das viele Geld und seine desaströse Wirkung. Über seine acht Kinder, seine Frau, sein Leben – und darüber, ob er all das noch einmal so machen würde.

Interview von Alexander Gorkow

David Gilmour wurde 1946 in Cambridge geboren und ersetzte 1968 den kranken Syd Barrett bei „Pink Floyd“. Gemeinsam mit Rick Wright, Nick Mason und Roger Waters gelang Gilmour mit Alben wie „Dark Side Of The Moon“, „Wish You Were“ und „The Wall“ eine beispiellose Karriere. Er prägte mit sphärenhaftem Gitarrenspiel und tief daherschwebender Stimme maßgeblich das Klangbild der Gruppe, von der sich Waters Anfang der achtziger Jahre im Streit trennte.
Gilmour produzierte seit Ende der siebziger Jahre drei viel gelobte Soloalben. Das jüngste – „On An Island“ – erschien in diesem Frühjahr bei EMI. Nach seiner Frühjahrskurztournee durch Europa und die USA wird David Gilmour nun am 29. Juli auf dem Münchner Königsplatz ein deutschlandweit einmaliges Zusatzkonzert geben, das der Konzertagent Marek Lieberberg veranstaltet [COLOR=#0000ff]www.eventim.de.

SZ: Mister Gilmour, haben Sie die Autogrammjäger draußen bemerkt?
Gilmour: Ja.

SZ: Es sind viele junge Menschen drunter.
Gilmour: Es sind überhaupt viele junge Menschen auf dieser Tour. Ja, schön. Aber ich gebe nicht so sehr gerne Autogramme.

SZ: Warum nicht?
Gilmour: Ich gebe nicht gerne meine Handschrift in die Hände fremder Menschen.

SZ: Es ist nur Ihr Name. Was ist der Grund, dass Sie es nicht tun?
Gilmour: Nun, es ist immerhin mein Name. Meine Handschrift. Vielleicht ist es ein bisschen so wie bei den Indianern, die sich nicht fotografieren lassen wollen, weil sie sich ihrer Seele beraubt fühlen? Vielleicht. Ich möchte niemanden kränken. Es bedeutet mir viel, dass die Leute kommen. Aber ich setze ungerne meinen Namen auf fremde Zettel. Ich verstehe auch diese, sagen wir, Überhöhung nicht.

SZ: Überhöhung?
Gilmour: Die Überhöhung meiner Person.

SZ: Sie sind einer der einflussreichsten Gitarristen, das ist nun mal so.
Gilmour: Aber ich meine, für Menschen, die mich nicht kennen, sollte ich nur ein Musiker sein, oder? Doch die Menschen hören meine Musik und denken: David Gilmour ist so und so . . . Aber so bin ich nicht.

SZ: Wie sind Sie denn?
Gilmour: Ich bin verletzend und ungerecht. Nicht immer natürlich. Aber ich habe dunkle Seiten. Ich verschanze mich – ich bin ja Engländer – hinter einem Panzer aus Ironie. Ich neige zu recht gewalttätigem Sarkasmus. Das habe ich so gelernt.

SZ: Können Sie mir bitte Erfolg definieren?
Gilmour: Nein, nein, das kann ich nicht.

SZ: Sie waren als wesentliches Mitglied von ¸¸Pink Floyd“ Bestandteil einer der größten Erfolge in der Geschichte der Unterhaltungsindustrie, oder?
Gilmour: Und auch meine neue Soloplatte gehört in diesen Wochen zu den bestverkauften Platten in Europa und den USA. Soweit der numerische Teil meines Erfolgs.

SZ: Haben Sie jetzt noch damit gerechnet?
Gilmour: Ja, ich habe damit gerechnet. Ich weiß, dass es eine sehr gute, persönliche Platte geworden ist. Sie verzichtet auf übermäßige Effekte, sie hat einen flow. Sie wäre allerdings auch eine sehr gute Platte, wenn ich nur zehn Exemplare davon verkaufen würde. Sagen wir: Diese Platte mit meinen Freunden aufzunehmen, das war wichtiger als sie zu verkaufen – ob Sie’s glauben oder nicht.

SZ: Aber der Erfolg der CD und der Ansturm auf Ihre Tour, es macht Sie stolz, oder?
Gilmour: Ja, klar, es bedeutet mir etwas. Doch ich mache das Glück nicht an Verkaufszahlen fest. Ich bin ein glücklicher Mann. Stellen Sie sich vor, ich bin vor ein paar Tagen 60 Jahre alt geworden. Eine sagenhafte Erfolgsgeschichte!

SZ: Warum sind Sie glücklich?
Gilmour: Auch ein Tischler kann glücklich, nicht wahr?

SZ: Nun sind Sie kein Tischler. Mal so gefragt: Macht Geld doch glücklich?
Gilmour: Nein! Es macht nicht glücklich! Ich habe in den letzten Jahrzehnten viele berühmte Menschen kennen gelernt, die waren enorm reich – und enorm unglücklich. Unglück ist sogar ein zu kleines Wort für den deprimierenden Zustand, in dem sie sich befanden. Waren diese Menschen erfolgreich? Das waren sie nicht.

SZ: Einige von denen mussten zum Beispiel erst lernen, mit dem Erfolg umzugehen.
Gilmour: Einige andere von denen sind zum Beispiel früh gestorben.

SZ: Verstehe.
Gilmour: So ist das. Und weil es so ist, sage ich heute: Ich bin meine eigene persönliche Erfolgsgeschichte. Ich lebe. Ich habe eine wunderbare Frau. Ich habe acht Kinder.

SZ: Vier aus erster, vier aus zweiter Ehe . . .
Gilmour: . . . so ist es.

SZ: Wie geht Ihre zweite Frau Polly mit Ihren eben skizzierten Nachteilen um?
Gilmour: Eine eher persönliche Frage.

SZ: Polly Samson ist eine angesehene Journalistin und Schriftstellerin. Sie schreiben auch Songtexte zusammen . . .
Gilmour: . . . ja, wir führen offensichtlich das, was man eine kreative Ehe nennt. Sie kann auch etwas, was ich nicht so gut kann.

SZ: Was?
Gilmour: Reden. Schreiben. Mit Sprache umgehen. Ich kann mit meinem Instrument umgehen, mit meiner Stimme. Aber ich denke mal, mir fehlen oft die richtigen Worte. Womöglich haben Sie es schon bemerkt.

SZ: Sicher nicht leicht für Ihre Frau.
Gilmour: Sie nennt mich in liebevollen Momenten ¸¸ein wenig nonverbal“. Und in weniger liebevollen Momenten ¸¸autistisch“.

SZ: Acht Kinder sind womöglich auch eine Erfolgsgeschichte.
Gilmour: Das glaube ich allerdings auch. Wobei ich sagen muss: Acht Kinder sind wirklich viele. Verstehen Sie?

SZ: Der Lärm?
Gilmour: Wenn einige dieser Kinder auch noch wahllos Freundinnen und Freunde mit zu uns nach Hause bringen, dann sind es nicht nur viele. Es sind dann zu viele.

SZ: Ihr Ernst?
Gilmour: Nein.

SZ: Also was jetzt?
Gilmour: Ich liebe das alles. Es ist das reine Glück.

SZ: Muss man sich das Leben des ehemaligen Großrockers Gilmour heute als normales englisches Landleben vorstellen?
Gilmour: Bis in die Spitzen! Kinder in die Schule bringen, Kinder aus der Schule abholen, Kinder in den Kindergarten bringen, Kinder aus dem Kindergarten abholen. Mit den Kindern Bilder malen, mit den Kindern Bilder in der Küche aufhängen.

SZ: Meine Kinder haben sich eine elektrische Gitarre gewünscht.
Gilmour: Sehr gut. Wie alt sind die?

SZ: Sechs und neun . . . Also eine gute Idee?
Gilmour: Ja, einerseits.

SZ: Und andererseits?
Gilmour: Andererseits sollten Sie aufpassen.

SZ: Warum?
Gilmour: Die elektrische Gitarre ist ein gefährliches Instrument. Sie verleitet dazu, sich schnell für unwiderstehlich zu halten. Ich habe Menschen, die das von sich geglaubt haben, an diesem Instrument zerbrechen sehen. Ich hatte unverschämtes Glück – die hatten es nicht.

SZ: Wollen Sie sagen, es war nur Glück bei Ihnen? Das meinen Sie nicht ernst.
Gilmour: Es gibt Gitarristen, die sind mir in technischer Hinsicht weit überlegen. Womöglich finden Sie ein paar von denen in der Londoner U-Bahn.

SZ: Sie haben einen unverwechselbaren Stil.
Gilmour: Ich vermute auch, ja. Und der ist sicher wichtiger für den Erfolg gewesen als Virtuosentum. Virtuosen gehen einem mitunter ja auch auf die Nerven, nicht?

SZ: Wegen Angeberei?
Gilmour: Vielleicht, ja. Es ist dann mehr eine Zurschaustellung von Geschwindigkeit und so weiter. Furchtbar. Ich wäre aber schon rein technisch nicht dazu in der Lage gewesen. Hingegen war ich allerdings zum richtigen Moment in einer sonderbaren Band namens Pink Floyd.

SZ: Verstehe, man sollte also . . .
Gilmour: Sie sollten Ihre Kinder mit einer gewissen Bandbreite kreativer Möglichkeiten konfrontieren. Kein Druck!

SZ: Ein Thema, das Sie berührt?
Gilmour: Ja. Es drehen zu viele durch in diesem Zirkus. In einer Band zu leben, mit ihr auf Tour zu gehen, das ist irreal. Und ich habe den Eindruck, es ändert sich auch nichts. Die jungen Bands machen es uns heute einfach nach. Ich denke manchmal, es muss eine Art Handbuch für den angehenden Rockstar geben: Drogen, Frauen, verträumter Blick. Undsoweiter.

SZ: Es langweilt Sie, oder?
Gilmour: Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Nicht diese vielen neuen und teils sehr guten Bands langweilen mich. Aber die Attitüde ist oft so enervierend. Ich denke dann manchmal: Jesus! Ändert sich denn nie etwas? Immer noch dieselben Tricks?

Dieser Zirkus hat ja nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Es ist eher Flucht. Man stößt dann aber an eine Grenze. Da angekommen, zerbrechen viele.

SZ: Wo liegt Ihr Glück?
Gilmour: Heute? In der Familie natürlich.

SZ: Was, glauben Sie, denkt ein junger Rockmusiker – womöglich noch einer, der Sie verehrt – wenn er Ihr Plädoyer für die Familie in der Zeitung liest?
Gilmour: Ich habe absolut keine Ahnung, was dieser junge Musiker denkt. Irgendwann denkt er vielleicht, dass der alte Mann Recht gehabt haben könnte.

SZ: Es gibt also noch junge Bands, die Ihr Ohr erreichen?
Gilmour: Natürlich. Die Arctic Monkeys sind eine gute Band. Mike Skinner von den Streets ist sehr gut. Gute Sachen unterwegs.

SZ: Pink Floyd gehörten zu den Ersten, die in Fußballstadien auftraten. Sie waren nicht nur Teil des großen Zirkus, Sie haben ihn maßgeblich mit kreiert, oder?
Gilmour: Und ich sage jetzt nicht: Ich bedauere das. Das wäre verlogen. Auch unwahr. Von Pink Floyd wird überliefert, wir seien kompliziert gewesen und an unserer Größe psychisch zerbrochen. Man sollte auch mal sagen: Wir hatten massiven Spaß! Wir hatten alles im Überfluss. Nur: glücklicher bin ich allerdings heute.

SZ: Auf eine Bühne zu kommen, und 100.000 Menschen strecken einem die Hände entgegen. Was ist das?
Gilmour: Eine Droge. Nichts anderes.

SZ: Weil man . . .
Gilmour: Nun, was passiert, wenn die Wirkung von Drogen nachlässt? Man fällt tief. 100.000 jubelnde Menschen sind phantastisch fürs Ego. Kurz darauf aber sitzen Sie alleine in einem Hotelzimmer. Möglich, dass Sie in der Stille dann einige Gespenster sehen – und vielleicht erlauben sich diese Gespenster auch noch, Ihnen lieb zuzuwinken!

SZ: Auf dieser Tournee spielen Sie – mit wenigen Ausnahmen – in eher kleineren und dafür recht ehrwürdigen Hallen.
Gilmour: Ich genieße das. Ich weiß, dass wir auch viel größere Hallen ausverkauft hätten. Möglich, dass wir im Sommer noch ein paar große, schöne Plätze bespielen. Es gab ja viele Leute, die jetzt keine Tickets bekommen haben. Aber in einem Stadion möchte ich nicht mehr auftreten.

SZ: Vor einigen Jahren sprachen wir – da lag gerade ein unglaubliches Angebot für eine Wiedervereinigung von ¸¸Pink Floyd“ vor. Für eine Stadiontournee.
Gilmour: Diese Angebote kommen immer wieder. Groteske Summen. Absolut absurd.

SZ: Sie sagten damals: ¸¸Ich habe keine Lust mehr auf den Scheiß.“
Gilmour: Habe ich mich derart ausgedrückt?

SZ: Ja.
Gilmour: Soso. Aber gut, ich kann nun die Gesichter der Menschen sehen, die zu den Konzerten kommen. Und wenn wir uns verspielen und einen Song unterbrechen und uns auf der Bühne die Meinung sagen, dann muss nicht an einem Mischpult in 100 Meter Entfernung die Lichtregie neu programmiert werden.

SZ: Sie verspielen sich auf dieser Tour?
Gilmour: Im Pariser ¸¸Olympia“ haben wir uns gleich mehrmals verspielt. Pures Chaos.

SZ: Machen Sie das mit Absicht?
Gilmour: Nicht direkt, nein . . . hm.

SZ: Aber?
Gilmour: Es ist nach langsameren Stücken eine gute Methode, diejenigen Leute in der Halle, die gerade eingeschlafen sind und laut schnarchen, wieder zu wecken.

SZ: Sie sprachen eben von dem glücklichen Tischler. Sagen Sie bitte nur nicht, dass Ihr Reichtum Ihnen Schmerzen bereitet.
Gilmour: Ich bin sehr dankbar, okay? Auch empfinde ich das viele Geld aber als ungerecht.

SZ: Sie haben keine Waffen verkauft, keine Frauen auf den Strich geschickt.
Gilmour: Sicher. Aber es ist eben sehr viel Geld. Zu viel. Es ist viel mehr, als ich, meine Frau oder meine Kinder je ausgeben werden.

SZ: Schlechtes Gewissen?
Gilmour: Ja.

SZ: Nicht Ihr Ernst!
Gilmour: Doch. Es gab sogar eine Phase, wo ich ernste Probleme hatte damit. Ich habe Konsequenzen daraus gezogen.

SZ: Die Obdachlosenorganisation Crisis zum Beispiel wirbt mit Ihnen als einem der prominentesten Unterstützer. Sie spenden viele Millionen Pfund.
Gilmour: Ich habe nie darum gebeten, dass man es an die große Glocke hängt. Im Gegenteil. Aber Crisis bat darum, da sie sich einen Nachahmungseffekt erhofften – und da hofften sie richtig. Ohne massive private Spenden wäre zum Beispiel das “Common-Ground“-Projekt in London nie auf die Beine gestellt worden.

SZ: Was ist das für ein Projekt?
Gilmour: Crisis kümmert sich um die Re-Integration von Obdachlosen. Um Wohnungen. Um Jobs. Und ohne private Spender ginge es nicht. Ganz und gar nicht.

SZ: Private Spender wetzen somit natürlich auch die Fehler der Regierung aus . . .
Gilmour: . . . sie macht es nie richtig, verstehen Sie? Klar, unsere Regierung versagt hier, und sie versagt dort. Aber als reicher, als vom Schicksal beschenkter Mensch sollte ich nicht die Regierung angreifen dafür, dass sie zu wenig Steuergelder für soziale Projekte ausgibt. Andere Menschen arbeiten ungleich härter als ich – und ich schäme mich ein wenig, wenn ich in der Zeitung lese, was sie verdienen. Ist man derartig reich, so hat man dafür ja nicht nur hart gearbeitet. Sondern vielmehr auch unverschämtes Glück gehabt. Nichts ist also heldenhaft daran.

SZ: Was sagen Ihre teils erwachsenen Kinder dazu, dass Daddy so sehr viel Geld spendet, statt es ihnen zu vermachen?
Gilmour: Oh, es ist mein Geld. Nicht das Geld meiner Kinder. Es spricht nichts dagegen, dass sie sich selbst mal was verdienen.

SZ: Kann man als derart reicher Mann noch guten Gewissens links sein?
Gilmour: Ich möchte es so sagen: Ich bringe es nicht fertig, die Welt aus der Sicht des Underdogs zu besingen. Aber: Muss ich meine Überzeugungen, die ich im Herzen trage, seit ich als junger Mensch anfing, zu denken, aufgeben? Muss ich nun ein Tory sein? Es schlägt wohl nach wie vor ein eher sozialistisches Herz in meiner Brust. Kann ich nichts dran ändern.

SZ: Klingt nach einem Gewissensproblem für einen, der mit den Hippie-Idealen . . .
Gilmour: . . . oh, ich bitte Sie! Ich weiß bis heute nicht, was ein Hippie ist.

SZ: Pink Floyd waren Hippies. Oder?
Gilmour: So? Ich meine hingegen: Wir waren Teil des verdammten Establishments! Wir waren ambitioniert. Zu gewisser Zeit auch Avantgarde. Und gegen das Establishment. Plötzlich aber waren wir reich. Auf die Sekunde genau waren wir dann Teil des Establishments. Das bringt Geld so mit sich. Kann man nichts dran ändern. Schon ist man arriviert! Es wäre sinnlos zu leugnen, dass wir die Vorzüge des Reichtums nicht auch mit der einen oder anderen Orgie genossen hätten.

SZ: Mr. Gilmour – diese Frage nun muss ich stellen, da es viele Fans interessiert . . .
Gilmour: Live 8!

SZ: Bleibt es bei der einmaligen Revitalisierung von ¸¸Pink Floyd“ für vier Lieder, die wir 2005 in London erlebten?
Gilmour: (Er gähnt plötzlich sehr, sehr lange. Danach lächelt er unter spöttisch müden Augen von exakt einem Ohr bis zum anderen. Er sieht aus wie ein Kind, das etwas ausgefressen hat und gleich zufrieden in die Heia geht.) Vielleicht machen wir es noch mal, mmmh, sagen wir, wenn sich eine besondere Gelegenheit bietet. Das war doch eine nette Sache. Oder?

SZ: Und Ihr Intimfeind Roger Waters und Sie – Sie haben sich nicht die Haut vom Leib gekratzt während der Proben?
Gilmour: Nein, nein. Zwei zivilisierte Senioren. Ich meine, nach über 20 Jahren Schweigen reden wir wieder miteinander. Sozial vorbildlich. Es ist nur kein Grund, so zu tun, als hätte die Band eine Zukunft.

SZ: Sie sagten in dem Magazin ¸¸Word“, der Auftritt sei für Sie wie ¸¸Sex mit der Exfrau“ gewesen. Na hören Sie mal!
Gilmour: Ich habe das mehr so gemeint, dass meine musikalische Zukunft grundsätzlich nicht in der Vergangenheit liegen kann. Es bezog sich nicht konkret auf den Abend im Hyde Park. Die haben das etwas frei interpretiert, die feinen Gentlemen von der englischen Presse.

SZ: Wurden die vier Songs für den Auftritt streng demokratisch ermittelt?
Gilmour: Schon, ja, ja.

SZ: Also?
Gilmour: Roger wollte, dass wir mit „In The Flesh“ vom „Wall“-Album eröffnen und dann „Another Brick In The Wall, Part II“ spielen – ebenfalls vom „Wall“Album.

SZ: Dann hätten Sie gesungen: „Wir brauchen keine Erziehung.“ Nicht der angemessene Text für den Anlass. Oder?
Gilmour: Natürlich nicht. Also sagte ich: Wir eröffnen nicht mit „In The Flesh“. Und den anderen Song da, den spielen wir auch nicht – ich mag ihn eh nicht besonders.

SZ: Und dann?
Gilmour: Wir haben die beiden Lieder, wie Sie sicher bemerkt haben, nicht gespielt.

SZ: Kein Streit?
Gilmour: Eine, sagen wir, zivilisierte Diskussion, die gleichwohl . . . na, auch egal.

SZ: Die gleichwohl?
Gilmour: Die gleichwohl andeutete, was passieren könnte, wenn man es noch mal im großen Stil miteinander versuchen würde. Das hätte keinen Sinn. Roger war im Hyde Park auch mehr so ein, well . . . Gast?

SZ: Haben Sie sich seitdem gesehen?
Gilmour: Einmal sind wir uns begegnet. Da laufe ich ins ¸¸Wolseley“, ein nettes Restaurant in London. Roger saß dort. Und zwar mit unserem alten Schlagzeuger Nick Mason.

SZ: Surprise, surprise . . .
Gilmour: Hab“ ich auch gedacht.

SZ: Angenommen: Der 30-jährige Superstar David Gilmour von 1976 hätte in der Zukunftskugel den David Gilmour sehen können, der im März 2006 mit einem prallen Fest in Notting Hill seinen 60. Geburtstag feierte. Was hätte er gedacht?
Gilmour: Oh, was für eine Frage! Gut. Also, okay: Ich glaube, er hätte den Mann gemocht. Er hätte gedacht: Doch, der Typ da in der Kugel, er ist ein halbwegs cooler Hund.

SZ: Fein. Das wär“s.
Gilmour: Er hätte aber auch die acht Kinder gesehen, in der Kugel, oder? Er hätte auf eine gewisse Gier geschlossen, die der alte Mann in der Zwischenzeit ausgelebt hat.

SZ: Ich vermute mal, ja.
Gilmour: Acht Kinder. Nun – das hätte den David Gilmour von 1978 etwas nervös gemacht .

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Wenn ich meinen Hund beleidigen will nenne ich ihn Mensch. (AS) „Weißt du, was ich manchmal denke? Es müsste immer Musik da sein. Bei allem was du machst. Und wenn's so richtig Scheiße ist, dann ist wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo es am allerschönsten ist, da müsste die Platte springen und du hörst immer nur diesen einen Moment.“