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„Vüür paar Wochen, nit lang her, jedefalls do spielten mir in der Kneip, wo mir sons och sinn.“ Das müssen doch schöne Zeiten gewesen sein. Man steht in seinem Stamm-Event-Bistro, die Bedienung stellt mittlerweile ohne weitere Worte das hin, was man sonst mühselig erklären musste. Immer gleiche Frage, immer gleiche Antwort, bis es einem von beiden zu dumm wird. Und dann, eines Tages steht man selbst auf der Stamm-Event-Bistro-Bühne und zappelt sich einen ab. Was wollte ich sagen? Ach so, das muss wirklich ein tolles Gefühl gewesen sein.
Es klingt vielleicht noch „Hang On Sloopy“ oder „Wahnsinn“ nach, da beginnt das nächste Album mit einem Rocksound, der erst deutlich macht, wie wenig der Vorgänger rockte. Klaus Heuser hat klar gesagt, woran es fehlt und wie es klappen könnte und die Hobbymusiker folgen seinen Ideen und sind vermutlich selbst überrascht, was man mit Instrumenten alles machen kann. Niedecken hätte damals im Basement auch sagen können: „Verpiss Dich!“ und alles wäre anders gekommen und das RS-Forum wäre um ein paar Threads ärmer. Aber es kam, wie es früher immer im Computerhandbuch stand: „Sie drücken eine Taste und es geschieht etwas unerwartetes…“
Es ist das mit Abstand am seltensten gehörte Album, weil es irgendwie muffig und altbacken klingt, dabei sprüht es vor Aufbruchstimmung und vor allem führt es Kölsch in die Rockmusik ein. Die Art, wie Niedecken hier singtspricht passt perfekt zu den noch nicht begradigten, wenn auch sauber eingespielten Songs. Warum gibt es keine Extended-Edition mit „Chauvi-Rock“ als Bonustrack? Hier hätte es gepasst.
Nach den ersten drei Tracks ist die Politik, Lokalproblematik und die erste Dylan-Covernummer (gewiss, sie läuft unter eigenem Namen, aber das war es auch schon) vorbei und BAP widmen sich anderen Betätigungsfeldern. Z. B. Anna, dieser Frau aus Urzeiten. „Häng de Fahn eruss“ ist dann schon so ein Song, der einen die Kölner Eigenarten erahnen lässt. Da ist Niedecken teilweise immer Chronist gewesen (auf folgenden Alben noch deutlicher und zusammenfassend auf „Niedeckenköln“). Dann kommt der Song, der nach eigenen Angaben der erste kölsche Rocksong war. Komischerweise erschien der aber nicht auf dem Debüt, sondern erst hier, wo er besser passt (kann mir mal jemand erklären, wie das kam?). „Ruut-wieß-blau…“ ist dann so eine Erzählung, in der Gag auf Gag folgt und sich der Dichter die Freiheit der Absurdität nimmt. Recht so, denn Humor, wenn auch manchmal schwer zu erkennen, den hat auch Niedecken. „Vun mir uss Kitsch“ ist eine großartige Ballade, die Hoffnung und Hoffnungslosigkeit wunderbar vereint undn zum Ausdruck bringt. „Do kanns zaubre“ ist vielleicht nur ein Remake dieses Songs. Für sich gesehen aber ebenfalls ein Kernstück. Und dann kommen wohl die beiden überraschendsten Momente im BAPschen Songkosmos. „Kumm op ming Sick“, das sich düster wie das Thema fortbewegt, während Niedecken hier mit Grabesstimme singt. Beim letzten Stück sehe ich einen pickeligen Bontempi-Spieler mit Pissflecken auf der Hose und Schweißrändern unter den Armen. Scheußlich, weshalb ich es wohl auch so selten höre. Was Überraschungen angeht, weiß man heute, zu was die Band im Stande war. Z.B. die kölsche Version von „Money For Nothing“ live in irgendwo auf einem Open Air (St. Wendel?).
Und dann ist die perfekt ausgereifte kulturelle Schau auch schon wieder vorbei. Wirklich eins der übersehensten Alben der Band.
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Das fiel mir ein als ich ausstieg.