Re: Warum Coverversionen?

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bender-rodriguez

Registriert seit: 07.09.2005

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Mikko

Man versucht etwas ganz Anderes, Neues aus einem Song zu machen. Das sind in meinen Ohren in aller Regel die spannendsten Coverversionen.

In der Tat!
Für mich ist eine schonungslose Dekonstruktion eines sehr bekannten Stückes in Form einer Coverversion eine musikalische Kür!
Zum Beispiel aus einem typischen Rocker eine minimalistische Electroversion aufzunehmen war in den frühen Achtzigern sehr beliebt – und ist sogar heute noch spannend. Umgekehrt wird dies zwar seltener praktiziert, ist allerdings nicht minder interessant!
Bei dieser Vorgehnsweise wird nicht selten das fragile nackte Gerüst eines Songs nur allzu offenbar!

Schöne Beispiele:

Die komplette „Top 10“-LP von den Flying Lizards. Riesenhits der Fünfziger/Sechziger (z.B. „Sex Machine“ von James Brown – sehr gelungen – oder „Dizzy Miss Lizzy“ oder „Purple Haze“) werden auf’s wesentlichste reduziert.

„Mother’s Little Helper“ von den Stones in der schonungslos radikalen Minimalelectro-Version von Polyphonic Size. Da bekommt man wirklich Angst um Muttern…

Laibach’s „Richtigstellung“ (Laibach nahmen laut eigener Aussage keine Coverversionen auf, Neinnein! Sie „stellten“ Songs „richtig“ – das aber richtig…;-) ) von „Sympathy for the Devil“ von (schon wieder) den Stones. 666 verschiedene Versionen sollten’s werden, aber es blieb (symbolisch) bei Sechs. Von Disco ala Bananarama bis Richard Wagner stellte die Bandbreite dar! Bombastisch!

„Sand“ von Lee Hazelwood/Nancy Sinatra in einer destruktiven Krachversion der Einstürzenden Neubauten. Die Schönheit des Hörens eröffnet sich manchmal auch nur im Schmerz…

Joy Division’s „Love will tear us apart“ wurde x-mal elendiglich gecovert (das übelste Beispiel: Paul Young…), die einzige akzeptable Coverversion stammt von den Swans. Reduziert, verlangsamt, hypnotisch – und auf eigenartige Weise sehr folkig. Wunderschön.

„Tainted Love“ von Soft Cell kennt jeder – wobei dies schon eine Coverversion eines alten Northern Soul-Stückes aus den Sechzigern ist. Hört man allerdings die extrem düstere, verschleppt skelettartige, von Glockenschlägen begleitete Version von Coil (der Gesang von John Balance verliert sich zum Ende hin in Schluchzen), dann erkennt man plötzlich auch einen komplett veränderten Sinn dieses Stückes: kamen die Erlöse aus dem Verkauf dieser EP doch seinerzeit der AIDS-Stiftung zugute…

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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad