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Stuttgarter Nachrichten 04.08.2004
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Der Protestsong scheint putzmunter: Joan Baez auf der Freilichbühne Killesberg
Auf der guten Seite Welch hübsche Ironie. Jahrzehntelang haben sich die jungen Songwriterinnen an Joan Baez abgearbeitet. Haben sie imitiert und gegen ihren Schatten angesungen – und dann tritt diese elegant ergraute Dame am Montagabend auf die Freilichtbühne auf dem Killesberg und singt „Motherland„, das Lied der jungen Songwriterin Natalie Merchant, eben genau so, wie es die junge Frau auch tun würde: dunkel und düster mit scheppernden Gitarren, ganz ohne glockenhelles Tremolo.Ein Gänsehautmoment. Von denen gab es viele in der langen Karriere der Joan Baez, und die, die welche erlebt haben, erzählen mit leuchtenden Augen von Woodstock oder von ebenjenem Tag, als die junge Baez ganz allein mit ihrer Klampfe auf der Bühne der Olympiahalle stand und 10 000 Zuschauer begeisterte. Das war 1977.
Und heute? Noch immer wirkt sie unglaublich lässig, spielt vor diesen 3000 Zuschauern in der Freilichtbühne, als stünde sie vor ein paar Freunden am Lagerfeuer, scherzt und plaudert, zieht auf Zuruf die Schuhe aus („Instant-Energie“), singt und spielt ihre Akustikgitarre. Dazu bewegt sie sich sacht und graziös wie eine Tai-Chi-Altmeisterin. Auch wenn sie und ihre vier Begleitmusiker das Tempo ein wenig drosseln, die Stimme der 63-Jährigen ist immer noch famos, selbst in den Höhen. Natürlich spielt sie die alten Songs, die Bob-Dylan- und Joe-Hill-Coverversionen, aber auch die Texte von jüngeren Songwritern, die sie im vergangenen Jahr unter dem Titel „Dark Chords On A Big Guitar“ herausgebracht hat.
„Ich sehe nun die Welt durch die Augen dieser jüngeren Generation. Manches kann ich nicht verstehen, aber Leonard Cohen habe ich auch mein Leben lang nicht verstanden – und trotzdem sind das wunderbare Lieder.“ Sagt's und stimmt den „Elvis Presley Blues“ von der jungen Gillian Welch an und hängt das Steve-Earle-Stück „Christmas in Washington“ gleich hintenan. Im Lied bittet sie den alten FolkHeroen Woody Guthrie, aus dem Paradies zurückzukommen, denn die Zeiten sind schlecht, und da werden Männer wie er gebraucht. Politikansagen also. Und die werden von den Zuschauern heftig beklatscht, schließlich vermutet man da, wo Joan Baez steht, schon jahrzehntelang das Gute, Wahre und Richtige. Jubel also, als die große Lady des Protestsongs ein Lied dem Filmemacher und Politagitator Michael Moore widmet oder sich wortreich für die amerikanische Regierung entschuldigt. Natürlich gibt es den Klassiker und Anti-Kriegs-Song „Sag mir, wo die Blumen sind„, in bestem Deutsch gesungen.
Und doch, auch wenn es an diesem Abend kaum etwas zu kritteln gibt, ein schales Gefühl bleibt trotzdem, wenn man dann mit all den großen Limousinen nach dem Konzert im Parkplatzstau steht. Ein schales Gefühl, ob an diesem Abend mit dieser hinreißenden Frau nur die vergangenen Zeiten heraufbeschworen wurden und so der Protestsong von einst nur noch zur heftig beklatschten Unterhaltungsmusik wird. Fraglich auch, ob diese Art des gesungenen Finger-in-die-Wunde-Legens, noch eine zeitgemäße Form der Kritik ist. Gänsehaut erregend schön ist es aber auf alle Fälle.
Barbara Gärtner
Joan Baez, die große alte Dame des Protestsongs, ist auch mit Mitte 60 noch bestens in Form: Auf der Freilichtbühne Killesberg spielte sie Songs von Bob Dylan, erinnerte an ihren Gesinnungsgenossen Woody Guthrie, widmete dem kontroversen Dokumentarfilmer Michael Moore ein Lied und entschuldigte sich für die amerikanische Regierung
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Man braucht nur ein klein bisschen Glück, dann beginnt alles wieder von vorn.