Re: The Sisters of Mercy

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latho
No pretty face

Registriert seit: 04.05.2003

Beiträge: 36,945

Bender Rodriguez[…]

Die Realität findet wohl meistens in dieser Form statt: Man drückt ordentlich Kohle für eine Eintrittskarte ab, spätestens schon beim Einlass wird man aber nicht mehr als zahlender Kunde behandelt, sondern wie ein äusserst verdächtiger USA-Einreisender (oder wahlweise wie ein potentieller RAF-Terrorist) durchleuchtet, d.h., die Ordner an der Tür tasten einen ab, als hätte man eine V2-Rakete im Hosenbein versteckt…
Man weiß natürlich nie wirklich, was sich der/die Künstler ausgedacht hat/haben, um einem den Abend so angenehm/enttäuschend wie möglich zu gestalten. Sind die Herrschaften gut drauf? Haben sie keinen Bock, tun alle Verantwortlichen (besonders der Typ am Mischpult…) ihr Bestes, etc.?
Aber da ich persönlich ja eigentlich immer noch Konzerte präferiere, wo man eben nicht auf Nummer Sicher gehen kann (perfekte stromlinienförmige, und: langweilige Entertainment-„Events“ wie Phil Collins oder Celine Dion auf der „hr3-Bühne“ in der „Äppelwoi-Skyliners-Arena“ sind halt nicht mein Ding…) so kann’s schon mal vorkommen, daß man zwei Stunden später den Konzertsaal enttäuscht verlässt. Die Band mag wohl ihr Programm herunterspielen, aber man darf natürlich nicht davon ausgehen, daß das Ganze einem auf alle Fälle gefallen wird…
Ein „tolles“ Beispiel: The Cure ca. 1984, Stadthalle OF, Robert Smith hat keine Lust, tut dies auch dem Publikum kund, leiert ca. 10 Songs in Rekordzeit von einer dreiviertel Stunde runter: Tschüß, keinen schönen Abend noch, Licht an, raus!

Sicherlich – klingt übel, aber wie gesagt, ein kurzes Konzert muss nicht ein schlechtes sein (wobei ich Dir natürlich abnehme, dass Smith wohl nicht gut drauf war – ich habe The Cure noch nicht live gesehen und bin auch kein großer Fan, habe aber schon gehört dass der gute Robert auch mal schlechte Tage hat).
Aber wie gesagt: Kunst ist Überraschung. Um noch einmal auf das Sisters-Konzert zurück zu kommen: die meisten Songs waren umarrangiert, was nicht schlecht war (This Corrosion zB war richtig gut und nicht zu lang) – hat mir alles gut gefallen. Ich würde aber wetten, dass es auch etliche Leute gab, die sich hinterher beschwert haben „Ich habe keinen Song erkannt! Schweinerei!“

Bender Rodriguez
Noch weniger kann man wirklich erwarten, daß die Showeinlagen oder die Garderobe den eigenen Erwartungen gerecht wird. Aber jetzt hat mich doch ein Punkt deiner Ausführungen ein wenig stutzig gemacht: Du hast bei Britney Spears die volle Erwartungshaltung, ein leicht geschürztes Mädel mit rasanter Show zu erleben, bitteschön! Dann aber musst du auch akzeptieren, daß möglicherweise ein paar Leutchen bei einem S.O.M.-Konzert die Erwartungshaltung haben, einen Herrn Eldritch in schwarzer Lederjacke mit Sonnenbrille und deftig Trockeneisnebel zu bewunden, oder…?

Nein – das war mein Punkt. Es gibt für mich keine Erwartungshaltung. Ob Britney züchtig oder Eldridge weiß, ich akzeptiere das als Ausdruck des Künstlers. Natürlich kann ich dann meine Meinung hinterher entsprechend äußern, das ist ja auch jedermanns gutes Recht, aber „Vorbedingungen“ kann ich nicht stellen. Nebenbei: der weiße Anzug sah, fand ich, echt schnieke aus und Brit hat den Modegeschmack straight out of trailer park und etwas Klasse würde ihr gut tun.

Bender Rodriguez
Aber um auf deine Frage zu antworten, ob ich dich verstehe: Natürlich, ich weiß genau was du meinst, und habe auch eine klare Vorstellung davon, wie es ist, plötzlich gegenüber einer sonstigen „Minderheit“ selbst mal in diese zu geraten…;-)
Das ist nämlich allzu menschlich, aufgrund meiner Erfahrungen als Szenegänger hat man sich nämlich immer mal die Leutchen genauer angeschaut, was ja nicht unbedingt abschätzig sein muß, sondern möglicherweise nur aus einer undefinierbaren Vorsicht heraus… Ich persönlich fand es immer extrem begrüßenswert, wenn sich eine Person, die offensichtlich nicht dem „Szenekern“ entsprang, für ein derartiges Livekonzert und diese Musik interessierte.
Natürlich gehen Leute aus, um sich „vorzuführen“ (wie du es nennst), bzw. um aufzufallen, aber das ist doch generell so. Wenn ich heute zu einem Konzert von z.B. den White Stripes gehe, dann kann ich hundertfach bestaunen, wieviele Meg Whites es doch anscheinend gibt…:lach:

Ja, über den Tellerrand schauen, ist nie schlecht. Ich würde die Bereitschaft und Fähigkeit dazu auch als guten Geschmack definieren, oder zumindest als Vorbedingung.

Bender Rodriguez
Und gleiches gilt mit Abstrichen heutzutags für meine Person. So dann und wann besuche ich mal eine „Goth“-Discoveranstaltung. Ich suche mir dann schon sorgfältig meine Garderobe aus, meistens Nicht-schwarzer Anzug, grünes oder oranges Hemd, Krawatte, gediegenes Schuhwerk. Und dann kommt’s vor, daß ich zu einem relativ unbekannten uraltem Goth-Stück auch mal ganz alleine auf der Tanzfläche stehe – und so mancher, der dieses Szenario beobachtet sich denkt: „was geht denn jetzt ab…?“:wirr:

Modetip von mir: manchmal reicht auch eine blaue Jeans…

Bender Rodriguez
Stimmt, die letzte 12″ vor „First and last…“ war „Temple of Love“, das S.O.M.-Stück schlechthin, an dem die Band auch immer wieder (zurecht – Eldritch sollte dies als Kompliment auffassen…) fest gemacht wird. Schön ist, obwohl diese Maxi ja noch einen semi-independent-Status innehat, immer als erstes genannt wird, wenn nach den Sisters gefragt wird – auch von einem breiteren Publikum derart beantwortet… Und nicht „This Corrosion“ (obwohl auch schwer o.k.)! Ob das allerdings an der „Ofra Haza“-Version (schauerlich!) liegt, wage ich zu bezweifeln, da, wenn das Stück mal gespielt wird, immer dem Original der Vorzug gegeben wird.

This Corrosion ist gut, die Produktion ebenfalls passend. Aber es ist simpel zu lang (gibt’s da eine kürzere Single-Version?).
Die Ofra-Haza-Verbrämung ist am Anfang interessant-Exotisch, das hörte aber bei mir sofort auf, als ich die Original-Version gehört habe. Wie Du geschrieben hast: Minimalimus. So was kann man leicht kaputt machen. Und das passiert ja auch oft: man hat ein schönes Lied, sparsam instrumentiert, richtig produziert, ein echter Renner. Und ein paar Jahre später überlegt man sich, ein Reissue zu machen, „remastered“ und hatte Ofra nicht gerade Zeit?

Bender Rodriguez
O.k., ich will nicht ganz so hart mit Hussey’s The Mission umspringen, die ersten Singles und „God’s own Medicine“ sind angenehme Unterhaltung. Und mit einem gewissen nostalgischen Auge betrachtet, richtig rührend! Aber der Herr hätte rechtzeitig den Absprung finden sollen, vor ein paar Jährchen lediglich im Vorprogramm(!!!) von HIM (sic!) herumturnen zu dürfen, ist unwürdig!!!

Ich mag (merkwürdigerweise) die Pop-Sachen ganz gern, „Hands across the Ocean“ etc (auf den Sands-LPs). Aber ja: Hussey ist arg heruntergekommen, auch musikalisch. Ich weiß nicht mehr wie sie hieß, aber die letzte Mission-LP, die ich gehört habe, lief nicht mal bis zum Ende.

Bender Rodriguez
Aber, kennt jemand noch Gary Marx‘ Band kurz nach den Sisters? Ghost Dance, mit der ex-Sängerin von Skeletal Family. Die ersten Singles waren richtig prima, inklusive sehr guter und überraschender Coverversionen, von Suzi Quattro („Can the can“) und „Radar Love“ von Golden Earring, sehr unterhaltend!

Interessanter Tip, ich sehe mich um!

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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.