Re: Top 10 Filme

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irrlicht
Nihil

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Ich bin kein Cineast und kann vor vielen Leuten hier, denen Film alles bedeutet, nur meinen Hut ziehen. Eine Top100 wäre vielleicht machbar, ist mir persönlich aber viel zu beliebig und ungefestigt (dafür kenne ich auch zu wenig). Daher eingedampft auf ein schmales Dutzend mit ein paar knappen Gedanken, mehr aus dem Herz und Bauch, als dem grübelnden Verstand gefasst (Spoiler-Warnung):

1. 21 Gramm/21 grams (Alejandro González Iñárritu, 2003)

Die letzten Momente von Iñárritus Dreiecksbeziehung kosten mich jedes Mal wieder 21 Gramm. Die Endszene, als sich Täter und Mutter gegenüberstehen, ist unglaublich eindringlich. Ein Film über Leid und Vergebung.

2. Spring breakers (Harmony Korine, 2012)

Korine fixiert die Zeit. Im Grunde ist die Geschichte um vier Mädchen, die sich zum Spring Break aufmachen gar nicht mal so wichtig, die Konturen schwinden schnell. “KIDS“ hat bereits vor vielen Jahren die Mischung aus Selbstbehauptung und Exzess, aus Wahn und Zartheit schön umrissen, “Spring breakers“ perfektioniert es nun – in einem Gemisch aus betäubenden Bildern, wirbelnden Waffentänzen und vielen Farben, wahnsinnig kolorierten Sinneseindrücken. Ein Rausch.

3. The tree of life (Terrence Malick, 2011)

Nochmal mit Penn, ist schon ein Guter. Hier gibt es aber gar keinen speziellen Moment, den ich herausgreifen könnte und wöllte – “The tree of life“ ist ein Ganzes und funktioniert wahrscheinlich auch nur so. Die Bildsprache macht atemlos und die Thematik ebenso: Leben und Sterben und Erinnern und Trauern. Malick führt alle Gefühls- und Existenzebenen zusammen und formt daraus etwas was ich, bei allen geladenen Worten aus dem Off und aller Bibeltreue, nicht klischeehaft finde.

4. Das Leben ist schön/La vita è bella (Roberto Benigni, 1997)

Grausam und wahrhaftig berührend.

5. Der Club der toten Dichter/Dead poets society (Peter Weir, 1997)

Beim Gedanke an „Captain o Captain“ rührt sich heute noch was am Herz, dabei habe ich den Film unzählige Male gesehen. Möglicherweise spielt “Dead poets society“ nur geschickt mit Codes – aber der Film hat genug Witz und Charme und Würde um einen zumindest innerhalb der ersten hundertdreiundzwanzig Minuten nicht daran denken zu lassen.

6. Lost in translation (Sofia Coppola, 2003)

Die Clubs und Plätze Tokios sind wie die Kulissen einer Murakami Shortstory: Zwei treffen sich, rollen innerhalb eines kleinen Zeitfensters ihr Leben entlang der Nähte auf – und blicken am Ende des Films aus dem Flugzeug, weil sich die Erde einen Tag weiter gedreht hat und sie das Leben trennt. Und dazu erklingt Kevin Shields über die Kopfhörer.

7. Aguirre, der Zorn Gottes (Werner Herzog, 1972)

Wahn und Stille – in einem Boot entlang den Totenfluss. Hat mir als junger Knirps die Kehle zugeschnürt. Vor allem auch wegen Kinski und den großartigen Klängen von Popol Vuh.

8. Orly (Angela Schanelec, 2010)

Ein Flughafen, ein paar Menschen unter Menschen und Kleinkram, der einerseits Alltag ist, aber auch der Stoff, aus dem das Leben gemacht wird. Erzeugt ein seltsames Gefühl von Benommenheit, wenn man etwas für Details übrig hat.

9. Good Will Hunting (Gus Van Sant, 1997)

van Sant bringt hier Schauspieler zusammen, die auf seltsame Weise miteinander harmonieren – der Film strahlt eine ungemeine Leichtigkeit aus. Es ist ein College-Film (Pluspunkt 1), es ist aber auch Tragödie, Romanze und Talfahrt in ein wahrlich einsames Zimmer. Zudem der Grund weshalb ich mich erstmals mit Elliott Smith vertraut machte. Passt hier perfekt.

10. Irreversibel/Irréversible (Gaspar Noé, 2002)

Es gibt Splatter – und es gibt filmische Auslöschung. „Irréversible“ ist so real, als hätte man es in einer kühlen Nacht selbst in einer verlassenen Unterführung in Paris gesehen und sei vor Schock erfroren.

11. Dead man (Jim Jarmusch, 1995)

Ich habe wenige Filme öfter gesehen, aber keiner hat mich bis heute so ratlos gemacht. Auf seltsame Weise „langsam“, zerstreut und dahintreibend. Fühlt sich an wie eine Mischung aus „Der Prozess“ und Western, unterlegt mit verzerrten Gitarrensounds von Neil Young. Herausragendes Spiel von Depp.

12. Drive (Nicolas Winding Refn, 2011)

“Drive“ ist in seiner Brutalität emotionslos und in seinen langsamen, blutlosen Momenten bezwingend. Refn verlangsamt die Welt und lässt den Spanngurt erst schnellen, wie sich der Fahrstuhl schließt. Ich mag besonders die Schonungslosigkeit des Films. Und seine verstörend nüchterne Erzählweise.

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Hold on Magnolia to that great highway moon