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Die Spannung steigt, hoffentlich nur noch wenige Stunden, bis ich das Album endlich in den Player legen werde.
Zur Steigerung der Vorfreude noch folgender Artikel von freecity.de:
Blumfeld – Verbotene Früchte (Rock/Pop)
Irgendwie schließen sich auf „Verbotene Früchte“ Kreise. Da singt Jochen Distelmeyer vom Blatt Papier, das „weiß wie Schnee“ vor ihm liegt – und nimmt den Faden auf, den er seinerzeit auf „LEtat et Moi“ spann. Das unbeschriebene Blatt ist ein klassisches Blumfeld-Motiv, ebenso wie eine Art Systemkritik, die nicht unbedingt hinterfragt, wohl aber beschreibt. Sie kommt auf diesem Album durchaus zum Zuge, auch wenn sich der Grundtenor etwas verschoben hat. Zumindest die Oberfläche der Songs wirkt anfangs weniger codiert, weniger ausgefuchst als früher. Es wäre freilich töricht, deshalb fehlende Relevanz zu vermuten.
Denn das Spannende an Blumfeld war immer, dass sie an der Erwartungshaltung der Hörerschaft konsequent vorbeiarbeiteten. Einige Parameter gibt es aber, die sich im Laufe der Jahre herauskristallisiert haben. Da ist vor allem die Liebe zum Popsong, nicht in seiner handwerklichen, sondern in seiner künstlerischen Ausprägung. Die späten Beatles, Prefab Sprout, die Sparks, vielleicht sogar Spandau Ballet kommen einem da in den Sinn, und mit Schlager hat das so gar nichts zu tun, um die üblichen Anti-Argumente einmal vom Tisch zu wischen.
Auf „Verbotene Früchte“ gilt das alles mehr denn je – Blumfeld arbeiten unheimlich stringent und präzise. Da ist jeder Ton an seinem Platz, sei es in „Der Apfelmann“, das mit seinem Shuffle ein bisschen an Eddie Cochrans „Summertime Blues“ erinnert, oder im oben erwähnten „Schnee“; sei es in der ersten, durchaus beschwingten, Single „Tics“ oder im wilden „Strohobo“. Gleichzeitig bietet dieser Pop Raum für vieles, was anfangs irritiert – so hätte man die Sitar nicht unbedingt als melodieführendes Instrument erwartet („Schmetterlings Gang“).
Aber es ist ein guter Nährboden – für einen, der nach wie vor etwas mitzuteilen hat. Jochen Distelmeyer singt in einigen Songs über Tiere und Pflanzen, das mag stimmen. Aber dem eine Unerheblichkeit beizumessen, zeugt nicht nur von menschlicher Arroganz, sondern auch von bisschen Dummheit. Denn gerade in der direkten Textebene von „Tiere um uns“ versteckt sich ein geschicktes Spiel nicht nur mit Worten, sondern auch gesellschaftlichen Stereotypen. „Strobohobo“ indes, die O-Orgie, die ihren Ursprung auf dem Album „Old Nobody“ fand, ist rausgerotzter Bewusstseinsstrom und schmerzliche Erinnerung dessen, was der deutsche HipHop eben nur selten zu schaffen vermag: grandioses Spiel mit Worten, mit Silben, mit Tönen, mit Buchstaben, das in unfassbaren Zeilen gipfelt: „Der liebe Gott am Telefon, ich frag: Was wollen sie denn? Mit Quasimodos Klingelton, Oh Lord, gib endlich Frieden. Er sagt, er bräucht noch dies und das für irgendeine Promo. Ich schreib den Text auf Oropax – mein Ecce Homo.
„Verbotene Früchte“ wird der kollektiven Hysterie, die schon Monate vor Veröffentlichung in den einschlägigen Fanforen herrschte, mehr als gerecht. Blumfeld finden 2006 endgültig in einem Kosmos statt, der noch zu erfinden ist, der mit den generellen Strukturen der Rockpop-Welt nichts mehr zu tun hat. Die Zielgruppe dieser Lieder ist so universell wie die Songs selbst es sind. Und das ist wohl das Beste, was man über eine Platte sagen kann.
Bewertung: ausgezeichnet
Erscheinungsdatum: 21.04.
Autor: Jochen Overbeck
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