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Heute gelesen und stimmt freudig…mich zumindest!
Jan Wigger/Spiegel OnlineBlumfeld – „Verbotene Früchte“
(SonyBMG, 21. April)Jetzt geht wieder alles von vorne los: Der mittlerweile fest im Fleisch sitzende Argwohn der Enttäuschten, die Blumfeld schon seit „Tausend Tränen Tief“ nur noch für eine Schlagerband halten. Die Ernüchterung derer, die in den neuen Stücken „Der Apfelmann“, „Atem und Fleisch“ oder „Tiere um uns“ keine politische Dimension, keinen Diskurs mehr erkennen können, obwohl schon einfachste Zeilen wie „Tiere um uns/ Sind keine besseren Menschen“ oder „Tiere um uns/ Was wären wir ohne sie?“ nach Reflexion und Erörterung schreien. Die allgemeine Intellektuellenfeindlichkeit und das Bedauern darüber, dass Jochen Distelmeyer kein Kumpeltyp ist und Blumfeld keine Band, mit der man sich verbrüdern, in der man sich und seine Befindlichkeiten spiegeln kann. Die irreführende Vorstellung, dass Distelmeyer in seiner Freizeit mit zwei frischen „Geheimrat Oldenburg“-Äpfeln in der linken Hand und einem Raben auf der Schulter den Hamburger Tierpark Hagenbeck durchmisst.
Man kann das nach längst nicht mehr zählbaren Hördurchgängen auch einfach mal so sagen: „Verbotene Früchte“ ist das Wichtigste, das Tröstlichste und das Herrlichste, was einem in diesem Jahr passieren kann. „Strobohobo“ ist so brillant und dringlich wie kein anderes Stück, das Distelmeyer seit „So lebe ich“ verfasst hat. Der chansoneske, achtminütige Entwicklungsroman „Der sich dachte“ ist so traurig und so wahr, dass man kalte, klare Tränen weinen möchte, und „April“ ist genau der Prefab-Sprout-Song geworden, den Blumfeld vielleicht immer schon mal schreiben wollten. Wie unvergleichlich Distelmeyer in „Schnee“ phrasiert, wie nah das Gitarren-Picking von „Ich fliege mit Raben“ an Pentangle und der Incredible String Band liegt, und auf welch traumhafte Weise der Chor in „Atem und Fleisch“ den Song in zwei Hälften unterteilt, ist ohne Beispiel. „Kleines Lied, es kommt zu mir/ Kommt und will mich tragen/ Flüstert leise: Nimm es nicht so schwer!/ Und es trägt mich durch den Tag/ Fragen über Fragen/ Kleines Lied, es winkt mich zu sich her.“ („Kleines Lied“). Man geht auf Zehenspitzen, man verlässt das Zimmer nicht mehr: Man möchte keine einzige Sekunde von „Verbotene Früchte“ verpassen. (10) Jan Wigger
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[indent] Life is Art. Art is Life. But have you met my wife? (Robert Forster) [/indent][/color]