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am anfang der sechsziger jahre hörte ich am liebsten schlager. sachen von gus backus, cliff richard, conny francis und manuella.
aber dann passierte es plötzlich (ich war so ca.14): i can get no satisfaction von den stones wurde im radio gespielt, und das durchfuhr mich wie ein blitz. ein grosses thats it erschien, vor meinem inneren auge. ich kniete vorm radio und trommelte mit den fäusten auf den tisch. immer wieder blärrte ich den riff nach. noch mehr als mick jaggers stimme gefiel mir die gitarre.
bei twist and shout von den beatles erging es mir kaum anders. ich hatte vorher gelesen, dass sich john lennon eine klobrille umgehängt hatte und frauenkleider trug. ich musste einfach auch was verrücktes tun. durch den song war ich außer rand und band. oh!- shake it now baby… ich kramte nervös in der unterwäschelade meiner mutter und suchte was geiles zum anziehen. aber oh gott, diese frau hatte nur so unerotische dicke wollunterhosen und die bräunlichen strumpfhosen waren auch nicht das wahre, so begnügte ich mich mit einem besen, mit dem ich mich vor den spiegel stellte und den abwechselnd als gitarre und als mikro benutzte.
nun, ja, dann ging es schlag auf schlag. bei eric burdons inside looking out schlug ich die wandergitarre meiner oma kaputt und bei 19th nervous breakdown wäre mein kumpel fast aus dem fenster geflogen, weil wir dazu auf dem fensterbrett tanzten, 15 meter über dem kopfsteinpflaster, naturley high- alles ohne drogen.
nun ja, die informationen zur musik erhielt ich aus dem bravo. genauso wie in deutschland gab es in österreich nix anderes. (rave schickte mir eine englische brieffreundin, aber nur für kurze zeit, denn als ich die um den dazupassenden lsd-trip bat, wars aus mit dem rave. das war eher eine unravige raverin)
vor 68 gab es auch in österreich kaum beatmusik im radio. meistens hörte ich unter der bettdecke radio luxemburg. piratensender bekam man hierzulande leider überhaupt nicht rein. aber auch nach 68 war die lage eher düster, wäre da nicht andre heller mit seiner musikbox gewesen, der auch lange albumtitel brachte, wie zum beispiel i am going home von ten years after. eva maria kaiser brachte auch eine sendung um 18 uhr mit viel englischen hitsingles. ernst grissemans sender ö3, für junge leute war eine herbe enttäuschung, denn außer den beiden ebengenannten gab es fast nur orchestermusik, musik aus lateinamerika oder altmodischen swingjazz aus der besatzungszeit.
anders als bei otis gab es bei mir in der klasse kaum beatles oder rollingstones fans. jimi hendrix war überhaupt ein fremdwort so 67 rum. den begriff blues kannte so gut wie niemand. ca. 90% der schüler waren beatleshaßer, die kannten auch keinen einzigen songtitel der rollingstones. bei frank zappa hätten die eher auf eine exotische eichhörnchenart getippt, denn auf einen musiker. nicht umsonst führte heintje, nino rosso oder peter alexander zu dieser zeit die hitparade an. von einer woodstock-generation konnte ich in österreich in den sechsziger jahren so gut wie nichts entdecken. ja, später wollten dann alle dabeigewesen sein, um nicht als altmodisch zu gelten, bloß weil sie vielleicht bei den tremoloes: silence ist golden mitgepfiffen hatten.
nun ja, nachdem ich wegen meiner langen haare von einer schule zur anderen flog oder erst gar nicht genommen wurde und auch keine arbeit bekam, wurde es mir zu bunt und ich ging on the road, mit canned heat im ohr. you gotta get out of this place sang burdon und er sprach mir aus der seele.
ich lebte dann in kommunen, bei den düüls oder in fredensgarden in kopenhagen, das war der grundstein zu christiania. hier gab es natürlich überall massenhaft musik, entweder live oder auf lp. selten für damalige verhältnisse waren zum beispiel love oder the 13th floor elevators oder the riders of the purple sage, aber auch die waren vorhanden. die musik hörte man meistens im schlafsack, vorher ging das chillum rum, oder ein joint. oder man hörte die musik in rockdiscos und tanzte dazu, da lief auch viel soul, james brown und otis redding. es war eine kurze zeit wie im paradies. bis das heroin einzog, gegen das ich eine instinktive abneigung besaß, obwohl mir velvets underground erste lp gefiel, die ich aber eher als apokalyptisches mahnmal gegen amerika verstand. eine tagebuch der verzweiflung, an dem ich nicht teilhaben wollte. ich machte dann die fliege, und dann… (aber das ist eine andere geschichte und passt nicht in den thread.)
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