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Interview
„Bei uns gab es kein Dideldudel“
Nick Mason über Stil: Warum „Pink Floyd“ Kühe auf Plattencover druckte und wieso 250 Millionen Dollar nicht genug für eine Tournee sind.
[I][COLOR=#0000ff]Von Alexander Gorkow[/COLOR][/I]
Nick Mason (3.v.Links) mit seinen Band-Kollegen und Mit-Egozentrikern.
Foto: AP
Nick Mason wurde 1945 geboren und wuchs auf einem Anwesen in Hampstead auf. 1965 gründete er mit einigen sonderbaren Freunden Pink Floyd, eine der eigenwilligsten und erfolgreichsten Bands der Welt. Im vergangenen Sommer fiel ihm die Schlüsselrolle bei der Vermittlung zwischen den Alphatieren Roger Waters und David Gilmour zu, die seit 22 Jahren nicht miteinander gesprochen hatten. Er lebt in London. Im Rockbuch-Verlag ist jetzt sein Buch „Inside Out – Mein persönliches Porträt von Pink Floyd“ erschienen.
SZ: Ich möchte über Stil reden. Über den sicht- und hörbaren Stil von Pink Floyd – wie auch über den unsichtbaren.
Mason: Auch den unsichtbaren? Wo war er?
SZ: Man wusste fast nichts über Ihren Arbeits-Stil. Doch gerade dabei muss es ja schwer rundgegangen sein.
Mason: Ah, verstehe! Ja, unser Talent für, sagen wir, prekäre Kommunikationsmethoden war etwas sehr ausgeprägt, in der Tat.
SZ: Sie haben darüber jetzt ein sehr schönes und sogar komisches Buch geschrieben.
Mason: Ich danke Ihnen. Es hat Sie überrascht, dass das Buch komisch ist?
SZ: Überrascht es denn Sie, dass es mich überrascht hat, Mister Mason?
Mason: Nun, wir wurden offenbar für ernster gehalten, als wir waren. Ich meine, wir waren ernsthaft in unserer Arbeit. Aber unsere Musik war nicht so ernst, wie viele Leute glaubten. Vor allem nicht so ernst, wie die Kritiker glaubten. Kritiker analysierten die Bedeutung der Kuh auf dem Cover von Atom Heart Mother oder die Bedeutung des Schweins auf dem Cover von Animals. Diese Texte waren dann wirklich oft noch ulkiger als wir.
SZ: Es gibt keine Bedeutung? L’art pour . . . ?
Mason: Oh, diese Cover hatten ihre Bedeutung! Ich werde sie aber nicht erklären.
SZ: Bitte doch!
Mason: Nein, das wäre langweilig. Aber sie hatten auch noch eine Sub-Bedeutung . . .
SZ: Welche?
Mason: Storm Thorgerson baten wir, keine prätentiösen Cover zu gestalten. Wir experimentierten viel. Aber wir waren keine dieser prätentiösen Artrockbands. Bei uns gab es kein Dideldudel, keine Angebereien. Im Kern waren wir eine Bluesband. Rick Wright, unser Keyboarder, war vom Jazz beeinflusst, von Miles Davis. Wir hatten eine klare, sicher sehr klassische Linie. Wir wollten die Klarheit auch auf der Hülle haben.
SZ: Die Cover waren eine Antwort auf die sehr filigranen Cover in jener Zeit?
Mason: Natürlich. Bands wie Yes hatten allerlei Mystisches auf ihren Covern, allerlei Feen und sowas, ja: Zeugs halt . . .
SZ: Furchtbar.
Mason: Wie auch immer. Ein Foto von einer Kuh auf einer Wiese ist da schon was anderes. Und ein Ohr illustriert Echoes ebenfalls überaus unprätentiös, finden Sie nicht?
SZ: Man bezichtigte Sie des Symbolismus.
Mason: Man gab uns die Schuld für fast alles.
SZ: Hat Sie das bekümmert?
Mason: Nein. Wir hatten ja Erfolg.
SZ: Auf den Covern stand nicht einmal der Name Ihrer Band . . .
Mason: Dies wiederum wurde uns von der Plattenfirma vorgeworfen, und zwar heftig. Sie dachten, eine Platte mit einer Kuh auf einer Wiese ist zum Untergang verdammt. Sie haben sich getäuscht.
SZ: Und doch galten Pink Floyd als ernst.
Mason: Ja. Immer. In meiner Verzweiflung habe ich Ende der 70er sogar eine Punk- Platte für The Damned produziert.
SZ: Das ist sehr lustig. Wollten die Punks nicht immer Pink Floyd töten?
Mason: Davon hatten wir gehört. Nun fragten The Damned bei unserem Management an, ob Syd Barrett Zeit für sie habe!
SZ: . . . der geniale Syd Barrett . . .
Mason: . . . der geniale Syd Barrett war da nur schon seit zehn Jahren nicht mehr bei Pink Floyd. Das hatte die Punk-Bewegung nicht mitbekommen.
SZ: Und dann?
Mason: Unser Manager sagte: Syd ist verhindert, aber, hey, wollt ihr den Drummer haben?
SZ: Die Punks waren naiv genug?
Mason: Nun, eine gewisse Naivität gehörte ja zu ihrem Image. Es hat jedenfalls Spaß gemacht. Mir mehr als The Damned. Ich konnte etwas lernen. Die Platte war zum Beispiel schneller fertig, als ich bis dahin bei Pink-Floyd-Produktionen gebraucht hatte, um mein Schlagzeug aufzubauen.
SZ: War sie ein Erfolg für The Damned?
Mason: Sie haben sich kurz darauf aufgelöst.
SZ: Sie haben eine Punkband getötet.
Mason: Meinen Sie? Es tut mir Leid.
SZ: Mr.Mason, die Streitereien zwischen Roger Waters und dem Rest von Pink Floyd waren recht unvergleichlich, oder?
Mason: Ich sehe das heute in milderem Licht. Wir haben alle den 60.Geburtstag hinter uns.
SZ: Und doch war es ein Wunder, dass Sie im Sommer nach fast 25 Jahren Hass für einen Auftritt bei Live 8 wieder zusammen auf der Bühne standen. Hat Sie die Begeisterung der Leute dort überrascht?
Mason: Nun, die Leute waren womöglich etwas bewegt . . . für eine gute Sache raufen sich die Zausel noch mal zusammen. Oder?
SZ: Vorzugsweise sehr junge Leute stürmten die Tage drauf die Plattenläden, um sich Pink-Floyd-Platten zu kaufen. In London kam es regelrecht zu Tumulten.
Mason: Ich habe davon gehört, ja.
SZ: Sie vier wirkten dabei recht cool.
Mason: Wir haben aus unseren Gefühlen noch nie ein großes Thema gemacht.
SZ: 200000 Menschen im Hyde Park rasteten komplett aus.
Mason: Haben wir mitbekommen. Es war laut.
SZ: Hm . . .
Mason: Schauen Sie, wir wollten uns doch nicht blamieren! Nach einem Vierteljahrhundert als Headliner eine solche Bühne zu betreten und dann vor Rührung Moll mit Dur zu verwechseln – das wäre eher ärgerlich geworden, verstehen Sie?
SZ: Keine Gefühle?
Mason: Natürlich! Wir hatten ja leider über Jahrzehnte viel Zeit damit verbracht, einen eigenen Kommunikationsstil zu pflegen.
SZ: Wie würden Sie diesen Stil beschreiben?
Mason: In aller Kürze: Passiv-aggressiv.
SZ: Das kam jetzt sehr schnell.
Mason: Ich wünschte, wir hätten stattdessen ein paar mehr Platten aufgenommen!
[COLOR=#800080]www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/646/64582/
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Wenn ich meinen Hund beleidigen will nenne ich ihn Mensch. (AS) „Weißt du, was ich manchmal denke? Es müsste immer Musik da sein. Bei allem was du machst. Und wenn's so richtig Scheiße ist, dann ist wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo es am allerschönsten ist, da müsste die Platte springen und du hörst immer nur diesen einen Moment.“