Re: 01.11.2005: "Versus – Vol 9" & "Temple Of Your Dreams"

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marbeck
Keine Lust, mir etwas auszudenken

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grizzdrumTHE SHINS – Turn a Square
Jüngsten statistischen Erhebungen zufolge befinden sich derzeit ungefähr 5693 Bands auf der Suche nach dem perfekten Popsong. Sie jagen ihm auf süßstoffsüß gepickten Gitarren hinterher. Sie glauben, ihn zwischen fußballstadiongroßen Blas- und Streichorchestern zu finden. Und manchmal verirren sie sich auf ihrer Odyssee sogar zu plastikstumpfen Drumcomputern und vocoderverfälschten Gesangsstimmen. In die Finger hat ihn aber noch niemand gekriegt. Den perfekten Popsong. Weil keiner auf die Idee kommt, es wie die Shins zu machen. Die haben einfach ihr Lager aufgeschlagen, zu Hause in Albuquerque, New Mexico. Und dann so lange betörend-bodenständige Musik gemacht, bis er von ganz alleine zu ihnen gekommen ist. Der perfekte Popsong.
Obwohl die Frage schon erlaubt sein muß, wieso er ausgerechnet den Shins zugelaufen ist. Und dann auch noch gleich mehrfach. Der perfekte… ist ja gut. Pullundertragende Hornbrillen, die ihr zu klein geratenes Gemächt durch eine besonders große Gitarre ausgleichen wollen, gibt es schließlich schon mehr als genug. Und Landeier aus Käffern wie Albuquerquenuque erst recht. Aber hier ist natürlich alles anders. Hier ist James Mercer. Und der sieht zwar aus wie frisch auf dem Weg zur Rivers Cuomo-Convention. Ist aber einer der ausgebufftesten Songwriter und Texter, die derzeit unter der Sonne Amerikas rumlaufen. Und einen Mordspenis hat er bestimmt auch.
Wie auch immer. „Chutes too narrow“ ist ein Festival der großartigen Kleinigkeiten. Ein liebevolles, überlaufendes, detailversessenes, hitziges, lebenslustiges, intelligentes und unerhört geiles Album, voll gestopft bis in die letzte Mikrorille mit Ideen, die dringend jemand haben mußte. Das Schmierfinger-Keyboard in „Mine’s not a high horse“. Die Mundharmonika aus „Fighting in a sack“, die vor lauter Schaum vorm Mund keinen vernünftigen Ton rausbekommt. Und der einzige Streicher-Auftritt der ganzen Platte im mehrwertigen „Saint Simon“. Spätestens danach wird keinem mehr einfallen, was an dieser Platte erst so unscheinbar gewesen sein soll.
Zumal dem Shins-Sänger die gewitzten Texte ja nur so aus dem ärmellosen Oberhemd fallen. Im bequemlichen Country-Verschaukler „Gone for good“ bringt der es sogar fertig, ein schmerzhaftes Beziehungsende so hinzubiegen, daß man am Ende wieder drüber lachen kann. „Just leave the ring on the rail / For the wheels to nullify.“ Müssen wir uns für später merken. Und noch eben schnell den nebenberuflichen Superhitschreiber in James Mercer loben. Bevor der Platz ausgeht. „Kissing the lipless“ und „So says I“ teilen sich ein gemeinsames Herz, das gar nicht mehr hoch genüg hüpfen kann, wenn die Gitarren erstmal übersteuern und die Stimme überdreht. Das pure Leben, runtergekürzt auf zweimal drei Minuten. Wer den Shins das nachmacht, soll uns bitte eine Kassette davon schicken.
(Quelle: Daniel Gerhardt, Plattentests online)

Das trifft die „Chutes too narrow“ ziemlich gut, tolles Album, das noch jede Menge besserer Songs als diesen hat, der auch schon gut ist.

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