Re: Top10 der 70er

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sonic-juice
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pipe-bowl
06. Die durch die Hölle gehen – Michael Cimino – 1978

Noch eine Anmerkung zu dem hier auch schon genannten Film „Die durch die Hölle gehen“ (The Deer Hunter) von Michael Cimino:

Hinsichtlich Schauspiel und Regie halte ich den Film auch für herausragend. Gleichwohl ist er auch ein besonders abschreckendes Beispiel für die Defizite des amerikanischen Vietnamfilms, indem er nämlich Schrecken, Brutalität und Willkür des Krieges einseitig auf den ideologischen Feind, also die Nordvietnamesen und Viet Congs, projeziert und selbige zudem nur als charakterlose Statisten darstellt. Ersteres ist ein Übel, das in der Regel nur die schlechtesten Kriegsfilme kennzeichnet, letzteres leider selbst in den gutgemeinten Antikriegsfilmen die Regel: Der GI ist – ob letztlich gut oder schlecht – immer ein ausgeprägter Charakter, während die vietnamesischen Statisten nahzu ausschließlich aus grob gezeichneten Stereotypen zusammengebastelt werden, sei es der sadistische Lageraufseher, die Großstadtprostituierte aus Saigon oder der arme Reisbauer im zurückgebliebenen Dschungeldorf. Hinzu tritt bei „Deer Hunter“ eine bewusste Verzerrung der geschichtlichen Hintergründe, am auffälligsten sicherlich bei den Schlüsselszenen mit Russischem Roulette, das so nie in einem Gefangenenlager oder sonstwo in Vietnam stattgefunden hat.

Als Denkanstoß möchte ich hier mal eine scheinbar neutrale Kritik von filmsite.org zitieren, die meines Erachtens aufmerken lässt:

„The most talked about sequence is the contrived, theatrical, and fictional Russian Roulette torture, imposed on the American POW’s during wartime and played as a game in a Vietnamese gambling den. [However, there were no documented cases or historical reports of the deadly game in actuality.] Historically inaccurate or not, the fabricated scene of a Vietcong atrocity metaphorically depicted the brutal absurdity of the war. Director Cimino was also criticized as distortedly and one-sidedly portraying all the Vietnamese characters in the film as despicable, sadistic racists and killers. He countered by arguing that his film was not political, polemical, literally accurate, or posturing for any particular point of view.“

Nach gesagtem ist „The Deer Hunter“ gerade wegen seiner künstlerischen Qualitäten ein viel problematischeres Werk als etwa „Missing in Action“ oder „Rambo II“, da diese Machwerke sowieso schwerlich als glaubwürdige, ernsthafte Darstellungen missverstanden werden können, „The Deer Hunter“ aber leider schon. Deshalb würde ich persönlich den Film trotz seiner Vorzüge jedenfalls nicht in eine Bestenliste aufnehmen.

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