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Sonic JuiceNaja, jetzt wollen wir den Sessel des damaligen Indiehörers aber auch nicht künstlich hochschrauben, damit er den vermeintlich primitven Metallern von oben zuwinken kann, gell.
Über die Innovationen und bemerkenswerten Aspekte aus der Metal-Ecke, die eben nicht nur ausschließlich prollig und einfach war, habe ich ja schon zuvor geschrieben. Der Indiehörer hat/hätte, wenn er gewollt hat/hätte, ebenso „heilsame“ Erfahrungen mit Grunge machen können wie der Metalfan. Nämlich seine Vorurteile und Überheblichkeiten gegenüber dem anderen Genreufer abbauen. Und merken, dass Indie-Gitarren-Rock nicht schrammelig, dünn und mies prodziert sein muss, um gut zu sein.;-) Der Klangaspekt ist für die Bedeutung des Grunges nicht zu unterschätzen.
Moment! Ich hatte keineswegs vorgehabt, den „Indiehörer“ in einer kulturellen Hierachie als elitärer einzustufen!
Wir wissen beide doch zu genau um die Defizite der Zielgruppen. Zum einen die Indiepäpste, die sich immer weiter limitierten in ihrem Metier. Zum anderen die bocksbeinigen Metaller, deren Toleranz anderen Musikrichtungen gegenüber auch nicht gerade als berühmt zu bezeichnen ist. Beide hatten wir doch schon x-mal durch…
Vielleicht habe ich mich auch nur ein wenig unglücklich ausgedrückt.
Auf alle Fälle war Grunge dem allgemeinen Metalmetier musikalisch doch um einiges näher, als der etwas aufgefächerte Indie-Betrieb.
Wie ich gestern schon bemerkte, begrüsste ich die zu spürende musikalische Morgenluft des Metal der damaligen Jahre, dazu kann man ruhig auch Grunge als Ergänzung addieren. Auch wenn Grunge mir persönlich nichts gab, hier kann ich mich leider nur auf meinem persönlichen Geschmack ausruhen, mehr nicht. Bisschen dürftig, ich weiß – ist aber so. Grunge hat mir zu seiner Glanzzeit nichts Neues erzählen können. Aufarbeitungsversuche danach verwarf ich als streng anachronistisch. Grunge war eine Musik zur Zeit (obwohl, wie schon angeführt, diese Zeit auch besser fünf Jahre früher hätte sein mögen…), hochaktuell zu seiner Blüte – aber eigentlich nichts für die Ewigkeit. Klar, Klassiker schufen Nirvana und Pearl Jam, was ist eigentlich von all den anderen Grunge-Bands übrig geblieben?
Und die verbesserte Soundqualität, der „fettere“ Klang? Nun, man darf nicht jede Indieproduktion als blecherne Low-fi-Geschichte verstehen. Indie gilt landläufig als Geschepper! Was ebenso ein Klischee ist wie der Luftgitarre spielende Metaldiscobesucher. Indie besteht nicht nur aus den Wohnzimmer-Artpunks und den abgewetzten Kunststudententypen, diesen in der allgemeinen Vorstellung stereotypen Pixies/Talking Heads/Wedding Present/The Fall/Primal Scream-Klonen, die für Gitarrenschrammel zuständig sind.
Indie steht auch für produktionstechnische Pioniertaten, die sogar alte Studio-Perfektionisten wie z.B. Kraftwerk beeindrucken konnten (siehe New Order, absoluter Indieact in den Achtzigern). Indie steht auch für Fortschritte der elektronischen (Tanz-)Musik – und hier meine ich nicht nur Industrial/E.B.M. -wo’s ja wohl auf einen „fetten“ Klang ankommt. Indie steht auch für Produzenten-Legenden wie Martin Hannett, der die halbe „Factory Records“-Clique soundtechnisch konkurrenzfähig mit Majors machte. Indie steht für hochwertigstes ästhetisches Artwork mit corporate identidy (die z.B. Peter Saville schuf, mit seinen Entwürfen für „Factory Records“) wie das „4AD“-Label (Cocteau Twins, Dead Can Dance). A propos Dead Can Dance, was ist überhaupt „Indie“? Unter diesem Begriff firmierten die verschiedensten Musikstile, angefangen von Punk und Gothic über Electro/Industrial bis hin zu Dancefloor – konnte sogar auch Metalähnliches zum „Sortiment“ gehören… Komischerweise aber durch die Bank weg von einem gleichen (oder zumindest ähnlichen Publikum) gehört, das einfach nach Alternativen zum gängigen Musikbetrieb suchte. Das ganz einfach experimentieren wollte. Von daher ist es schon schlüssig und durchaus nachvollziehbar, daß ein Indiehörer Grunge für nicht besonders originell halten konnte – verbesserter Klang hin, „Eier“ her…
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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad