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Sonic Juiceaber die SPEX hat – das dürfte doch eigentlich common sense sein – einen weitaus höheren Anteil an Neuentdeckungen zu vermelden und meiner Ansicht nach auch einen im deutschen Popmagazinbereich unübertroffenen Riecher.
Die Nachteile der SPEX (zB der Schreibstil, die etwas stiefmütterliche Behandlung des Rockbereichs, die Humorferne…) sind ja auch allseits bekannt, aber in Sachen Stilvielfalt, Nachwuchsrekrutierung und Horizontöffnung ist RS sicherlich nicht die erste Wahl, sondern weit hinten! Ich erinnere nur an SPEX-Titelgeschichten etwa zu Kelis, Justin Timberlake oder auch den Cardigans, die mir diese Musiker schmackhaft gemacht und auf meine Beobachtungsliste gesetzt haben.
Die Spex war mir in den 90ern noch zu abgehoben, das sagte mir alles gar nichts. Erst in den letzten vier, fünf Jahren lese ich sie regelmäßig. Die Titelgeschichten, die Du nennst, waren für mich auch Highlights. Oder auch Annie neulich. Die Spex hat durchaus Humor, wenn auch einen sehr eigenen. Beim RS hat mich tatsächlich immer die historische Perspektive gereizt, wobei mich die vielgenannten Säulenheiligen gar nicht mal so sehr interessieren. Aber auch der Stil von Autoren wie Doebeling oder Willander – oder auch Stuckrad-Barre, in den ersten RS-Jahren – das waren für mich überhaupt erstmals Musikkritiker, die ich als Personen wahrgenommen habe. Wer hinter den Kürzeln im ME steckte, hat mich nie interessiert. Nachdem der RS erfolgreich war, wurden die ME-Kritiker auf einmal auch als Individuen erkennbar, der ME bekam das gleiche Format und sogar eine Singles-Rubrik. Vor Doebeling wusste ich gar nicht, dass Singles eine ernstzunehmende Sache sind, weil sonst immer alle nur von Alben sprechen.
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