Re: Joy Division – Closer

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go1
Gang of One

Registriert seit: 03.11.2004

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Ah UmAls „kühl“ bezeichne ich einen Sound dann, wenn er den Hochtonbereich überbetont, den Grundtonbereich dagegen zurücknimmt. Nach diesen Kriterien ist „Closer“ sogar eher warm. Kühle vermittelt hier allenfalls der Einsatz von künstlichem Hall.

Ah, jetzt verstehe ich dich. Okay, dann mache ich mich bei Gelegenheit mal auf die Suche nach anderen Adjektiven… Der Sound ist halt „eigen“ und bewusst gestaltet.

Ah Umder Sound ist eher ausgefranst

Pitchfork hatte mal ein Feature über Joy Division, darin hieß es: „Martin Hannett … radically changed his production approach for Closer, recording live echo (playback from speakers in other parts of the studio) for the drum tracks and all guitars.“ Das erzeugt wohl diesen Eindruck. Ich habe oben auch an Unknown Pleasures gedacht, aber die beiden Platten sind recht unterschiedlich.

Edit: Aber ich äußere mich lieber nicht weiter zur Produktion von Alben. Ich höre Musik nur selten unter dem Aspekt an, wie etwas aufgenommen worden ist, und wenn ich „Sound“ sage oder lese, denke ich immer die Textur der Klänge mit. Also lieber einen Satz zum Selbstmitleid in „Isolation“: Die wichtigsten Textzeilen sind wohl: „Mother, I’ve tried, please believe me / I am doing the best that I can / I’m ashamed of the things I’ve been put through / I’m ashamed of the person I am“. Da ist jemand beschämt wegen der Dinge, die man ihm angetan hat, für die er vielleicht gar nichts kann, und wegen der Person, die er ist. Das ist eine ziemlich existenzielle Beschämung und ihretwegen glaubt er, aus allen sozialen Zusammenhängen herausgefallen zu sein. Seine (eingebildeten) Fehler sind ihm schmerzlich bewusst und der Gedanke an ihre (subjektive, erlebte) Konsequenz hat Besitz von ihm ergriffen, lässt ihn nicht los, ist Inhalt seiner Grübeleien. Deshalb immer wieder: „Isolation, Isolation“. Ich halte das für psychologisch nachvollziehbar und stimmig. Zur Nachahmung würde ich es freilich nicht empfehlen.

Man kann jetzt sagen: Mit so etwas will ich nichts zu tun haben, das höre ich mir nicht an. Das ist völlig legitim. Ebenso legitim ist es, solche psychologischen Zustände zum Gegenstand eines Liedes zu machen.

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