Re: Tom Waits

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Originally posted by TOMMY THE CAT@19 Jun 2004, 13:57
Why, I have patience to endure all this.

Wie einst Bukowski schlüpft auch Waits in Rollen und schafft Gelegenheiten für viele (auch für ganz unterschiedliche) Projektionsflächen. Die Kultivierung seiner Aura rollt auf alten Rädern. Obwohl Waits seit Jahren nicht mehr raucht und trinkt, hält man an seinem Mythos fest – und er kümmert sich darum, daß es so bleibt. Waits anarchistisches Songwriting, sein durchgekippter Sound sind nicht nur Musik – Tonart. Sie sind vom Atem ihres Erschaffers geprägt. Auch wenn dieser allzuoft auf der Bühne nur keuchen konnte. Eben das will man von ihm.
Lou Reed sagte einmal, ihn habe nie das Gefühl losgelassen die Leute wollten ihn auf der Bühne sterben sehen. Aber das Rock´n Roll-Animal agierte stets in Todessehnsucht. Und die Menschen wollen Beweise. Authentizität. Beide, Reed und Waits, kamen aus dem Abgrund. Und beide torkelten über die Bühnen, ohne jemals einander musikalisch zu begegnen. Außer bei einem wahrscheinlich eher zufälligen Treffen auf der Platte “ Lost In The Stars. The Music Of Kurt Weill“ (auf der auch Marianne Faithfull zu hören ist). Was sie jedoch miteinander verbindet, sind die Geschichten in Liedform. Wenn auch jene Lou Reeds, ihrem Schöpfer gemäß, bisexuell und stets schamlos überzogen waren. Die Perspektive, die Tom Waits als Songschreiber und Sänger in seinen Liedern einnimmt, ist die Perspektive des Müllsammlers. Er sieht das Verwertbare im Abfall.
Der amerikanische Schriftsteller Richard Ford notierte in seinem Text „Notizen eines Fans“ über ihn: „Durch das priviligierte Guckloch, durch das wir auf die Seele eines Tom Waits Songs sehen, ist es immer drei Uhr nachts. Aber dennoch, irgendwo spielt jemand Klavier; wir haben unsere Erinnerungen und dazu ausreichend alkoholische Getränke. Die Wörter reimen sich, und auch mit dem nächsten Sonnenaufgang können wir rechnen. Das heißt, wenn wir das Glück haben nicht gerade im obersten Rang eines billigen Filmtheaters, in der achten Straße, an einer Kugelverletzung zu sterben. Frei nach Francis Bacon, dessen Gemälde mir passend erscheinen, wenn ich Tom Waits höre. Er ist ein Optimist. Aber einer, der aus keinem besonderen Grund optimistisch ist“.

:lol:

Erweiterte Fassung

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