Re: Der CD-Wow Thread

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herr-rossi
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weilsteinIch bin mir sicher, daß Du Beiträge in der Regel erst einmal genau liest bevor Du auf Sie eingehst. Du also nicht einer derjenigen bist, die reflexartig auf bestimmte Schlagworte eingehen, in diesem Fall „geistiger Bodensatz der Gesellschaft“. Nicht „Bodensatz der Gesellschaft“ übrigens.

Warum sollte ich nicht „reflexartig“ auf Aussagen reagieren, die ebenso reflexartig in die Tastatur gehämmert werden und von einem erheblichen Mangel an Reflexion und Sprachgefühl zeugen? Ich hoffe doch sehr, dass meine Reflexe funktionieren, wenn es um elementare Fragen geht.

Tops schrieb eben noch einiges mehr, nannte stellvertretend Namen von Leuten, deren Herangehensweise oder Geschmack er nicht teilt, ihnen aber keineswegs irgendetwas abspricht.

Man muss sich ja schon fragen, wieso es überhaupt notwendig ist, derlei explizit anzuführen. Vielleicht weil Tops das Gefühl hatte, mit seiner Liebe zur Polemik auch diejenigen zu verletzen, die er gar nicht treffen wollte?

Daß ernsthaft Musikinteressierte ein ähnliches Verhalten zeigen, die Sympathie für kleine Fachgeschäfte belächeln, oder gar als vollkommen überflüssiges Überbleibsel der „guten alten Zeit“ abtun, darf schon verwundern, oder?

Ich habe es jedenfalls nicht belächelt. Dass es gute Plattenläden gibt, will ich überhaupt nicht bestreiten. Mir fehlen die positiven Erfahrungen mit Plattenläden, weswegen ich schon in Vor-Internetzeiten vor allem per Mailorder gekauft haben.

Die Mediamärkte drängten zuerst die Konkurrenz mit beinahe verbrecherischer Preispolitik in die Knie, verknappten dann das Programm immer mehr auf Major-Produkte (in diesem Fall ist „Produkt“ sicherlich angebracht) und behaupten nun, daß diese und jene Musik bei ihnen „nicht gehe“. Dementsprechend bescheiden ist die Auswahl. Wie sollen kleinere Vertriebe, Labels und Bands das wieder reinholen? Durch Eigenvertrieb auf der eigenen Homepage? Glaubst Du das tatsächlich? Als ob es durch Downloads nicht schon schwierig genug wäre Tonträger zu verkaufen. Über die Folgen brauche ich wohl nicht mehr viele Worte verlieren. Die Chance, daß gute Musik in den Charts stattfindet, wird immer geringer, die Kluft zwischen „anspruchsvoller“ Musik und der Fabrikware, die Du auf MTV und Viva serviert bekommst, immer größer. Woher soll so eine Pfeife von Sony auch wissen, was abgeht? Sämtliche Verkaufszahlen, sowie verantwortliche Marktleiter zeigen ihm ja was man noch verkaufen kann.
Zu behaupten, daß doch jetzt alles viel besser sei, weil es nun ein viel größeres und leichter wahrzunehmendes Angebot gibt, halte ich also für eine extrem verkürzte Sicht der Dinge. Die tollen und interessanten Bands, die jeder von uns täglich entdeckt, interessiert das nämlich herzlich wenig. Ohne eine etwas bessere Vertriebsstruktur werden sie kaum die Chance haben lange durchzuhalten.

An dieser Analyse ist sicher viel wahres, aber wir sprechen hier ja nicht vom Kaufverhalten der „Normalverbraucher“, sondern derjenigen, die sehr interessiert Musik wahrnehmen und auch kaufen, eine kleine Minderheit. Seit 10 Jahren und mehr hört man Hiobsbotschaften über den baldigen Untergang der Musikkultur. Fakt ist, dass ich als Musikinteressierter heute besser und vielfältiger Musik kaufen kann als noch vor 10 Jahren, dass ich aber immer noch nur ein begrenztes Budget habe. Ich halte auch nichts von Billigheimerei und Pfennigfuchserei, aber als Kunde muss ich sagen, dass für mich der Plattenladen noch nie das Nonplusultra war und ich die heutigen Verhältnisse als angenehmer empfinde. Immerhin kaufe ich Musik noch in größerem Umfang und das vorrangig von Künstlern, die nicht auf MTV oder in den Top100 stattfinden. Wenn die Millionen „Normalverbraucher“, die einmal im Jahr eine CD bei Mediamarkt oder Schlecker kaufen, sich plötzlich genauso verhalten würden, wäre doch schon eine Menge für Künstler und Labels erreicht, obwohl es nur der bucklige, kompromisslerische Rossi-Weg wäre und nicht der exquisite „Vinyl-beim-Fachhändler-kaufen“-Weg, oder irre ich mich?

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