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Vielleicht sollte man an dieser Stelle mal wieder ein bisschen zur Historie der 7″45 schreiben. Dann wird ja manchem u.U. einiges deutlicher.
Die 7″45 wurde Anfang der 1950er Jahre entwickelt und eingeführt. Sie ersetzte dann in wenigen Jahren die bis dahin übliche Schellack Platte so gut wie vollständig. Auf der Schellack 78er befanden sich auch zwei Titel, einer vorn und einer hinten. Insofern war die 7″45 also nur ein handlicheres Spiegelbild der 78er Platte. Allerdings trug zu ihrem Siegeszug in den USA und dann auch in Westeuropa und der restlichen Welt wesentlich bei, dass sie kleiner war, handlicher, nicht so leicht zerbrechlich und vor allem, dass sie in Jukeboxes gespielt werden konnte und wurde. Der Siegeszug der Single ging einher mit einem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem 2. Weltkrieg und mit der erstmaligen Herausbildung einer eigenständigen Jugendkultur als Massenkultur.
Popmusik fand also bis hoch in die 1960er Jahre vor allem auf Singles statt.
Alben waren der klassischen Musik, dem Jazz und dem gehobenen Pop für Erwachsene vorbehalten. Wenn Rock’n’Roll oder Pop Künstler LPs aufnehmen durften, dann nur wenn sie bereits am Singles Markt sehr erfolgreich waren. Und anfangs waren LPs dann oft auch nur Singles Sammlungen. Andererseits gab es die Regel (die z.B. von den Beatles sehr strikt befolgt wurde), dass ein bereits als Single veröffentlichter Track nicht auf ein folgendes Album gepackt werden durfte.
Daran sollte man denken, wenn über das Format der 7″45 und seine Bedeutung diskutiert. Viele großartige Musik der 50er und 60er Jahre, aber auch der Punk und New Wave Ära und der großen Zeit der so genannten Indies bis weit in die 1980er Jahre, wäre nie veröffentlicht worden, hätte es die Möglichkeit einer schnell und kostengünstig hergestellten 7″45 nicht gegeben.
Das ist es, was Paul Weller noch immer exklusive Singles machen lässt. Und das ist es auch, was die 7″ Freunde unter uns Vinylisten an- und umtreibt.
Dass in der Musikindustrie in der 80er Jahren andere Prioritäten gesetzt wurden, Mista, hat mit Kosten/Nutzen Rechnungen und anderen eher musikfremden Überlegungen zu tun. Und natürlich auch mit einem weit größeren Albummarkt, der seit den späten 1960er Jahren immer wichtiger wurde für die Pop- und Rockmusik und die 7″45 bis zur Mitte der 70er bereits stark zurückgedrängt, wenn auch nicht verdrängt, hatte. Auch die Musiker und Bands, mit denen Du in der 80er Jahren zu tun hattest, sind mehrheitlich bereits vor diesem Hintergrund sozialisiert. Deshalb – und natürlich auch weil Künstler fast immer mehr wollen, als für sie und den Markt gut ist – machen sie lieber ein Album, als erstmal eine Single.
Ich finde es sehr bedauerlich, dass diese Entwicklung relativ widerstandslos hingenommen wurde. Natürlich wurde die Single dadurch eines großen Teils ihrer ursprünglichen Bedeutung beraubt. Allerdings ist es immer noch ein großer Unterschied, ob ich einen Track als Single besitze und höre, oder ob ich die LP höre, auf der womöglich dergleiche Track erklingt. Otis hat dazu das Richtige und Wichtige bereits gesagt.
Wer allerdings diese Faszination und diese Begeisterung für die Single so nicht nachempfinden kann, der wird letztlich auch nicht verstehen, warum es entscheidend ist „What A Waster“ als originale erstveröffentliche 7″45 mit Pic Sleeve zu besitzen, und dass der Track als Bonus auf einer Album CD nicht mal nur ein müder Abklatsch dieses Originals ist, sondern einfach unnötig.
Und Dick, ich verstehe den 12-Jährigen durchaus, der sein karges Taschengeld zusammen halten muss. Allerdings war es für mich in diesem Alter eben keine Alternative auf irgendein Album zu warten, dass neben dem einen tollen Single-Track, den ich wollte, noch 11 oder 13 weitere Tracks enthielt, die ich meist noch gar nicht kannte, oder die ich eben nicht unbedingt wollte.
Ich kaufte von meinem Taschengeld so viele Singles wie eben möglich. LPs ließ ich mir schenken.
Was die Bewertung von B-Seiten betrifft. Auch dazu wurde eigentlich das Notwendige bereits gesagt. Für mich ist auch die A-Seite entscheidend. Und sie ist es, die bewertet wird, wenn es um den Status einer 7″ in meiner Sammlung geht. D.h. aber nicht, dass ich auch mal die B-Seite gleich hoch oder sogar höher bewerte. In diesen Fällen geht meine Wertschätzung der B-Seite natürlich in die Gesamtwertung ein. Nicht aber, wenn die B-Seite von mir geringer geschätzt wird.
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