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Auf dem Cover sieht man Paul, von seinem Bruder aus im elterlichen Garten 1962 photographiert, mit Gitarre im Gras sitzen. Auf der Rückseite des Booklets ist ein aktuelles Bild auf dem Paul am Piano sitzt. Auf dem Coverbild sieht Paul so jung aus wie er tatsächlich war, auf dem hintern Bild so jung wie er heute nicht mehr ist. Verblüffend, wie zeitlos er auch mit 63 Jahren immer noch den staunenden Jungen geben kann.
Und dieser staunende Junge schrieb all diese Lieder aus der Perspektive eines Mannes in der Reife der Jahre und singt und spielt sie so wie damals. Aber da wo der Vergleich zu Flaming Pie nah liegt, macht die Produktion den entscheidenen Unterschied, wie MB bereits sehr treffend erläutert hat. Wo auf Flaming Pie ein fröhlicher First-take-Charme herrscht, hat Goldrich auf dem neuen Werk nicht locker gelassen und es dabei meisterhaft geschafft, Lockerheit und Frische gleichzeitig mit Stimmingkeit und Makellosigkeit der Produktion zu einem Album zu vereinen, das in der Tat ohne Schwachstellen, Peinlichkeiten oder stilistische Ausrutscher daherkommt.
Schlecht waren ja die Vorgänger Flaming Pie und Driving Rain (wenn man mal das Rock’n’Roll-Album Run devil run außen vor lässt) auch nicht. Driving Rain hatte mit Lonely Road, She’s given up talking oder Rinse the raindrops auch Highlights, die mit Maccas Wirken in allen Schaffensperioden mithalten konnten, aber halt auch Quark wie Freedom oder Your way an Bord. Chaos and creation in the backyard ist wesentlich homogener. Vorbildlich, wie die meisten Songs in 3 oder weniger Minuten auf den Punkt kommen und an keiner Stelle stelle unnötig ausufern. Insofern hat Nigel Goldrich hier einen brillianten Job erledigt.
Die Songs sind eindeutig zurückhaltender als die oben erwähnten Beispiele des Vorgängers, die mich seinerzeit vom Fleck weg begeisterten und es noch heute tun. Dadurch entsteht auch der Eindruck des Alterswerkes, den MB auszumachen glaubt. Den Eindruck kann ich nachvollziehen, aber dann wirkt Paul auf mich doch immer wieder wie der oben beschriebene staunende Junge und das lässt sich nicht mit dem Vergleich Time out of mind oder Bad love in Deckung bringen. Man kann es nennen wie man will – die Platte überzeugt. How kind of you ist eine wirklich berührende, kitschfreie Liebeserklärung an Heather, English Tea ist 60s-Pop in allerfeinster Reinkultur und auch Jenny Wren mit seiner Blackbird-Anleihe kommt nicht wie erwartet peinlich, sondern sehr eigenständig und geschmackvoll daher.
Nur wenige Gastmusiker sind zu hören, unter anderem Ex-Jellyfish Jason Falkner, der nun den Schritt von der Beatleskopie zum Original vollbracht hat. Dafür wird er seinem Buddy Goldrich wohl auf ewig dankbar sein!
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Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage Blue