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Big Mc
Die 63 sieht man ihm so gar nicht an. Beim Interview in der Präsidenten-Suite des Kölner Interconti wirkt der Ex-Beatle allenfalls wie Anfang 40: jugendliche, weiche Züge, volles, aber leicht angegrautes Haar, dazu Hemd, Stoffhose, Slipper und ein fester Händedruck. Ein Mann, der Souveränität und geballte Lebenserfahrung ausstrahlt.
Und der bei aller Freundlichkeit und kleinen Späßen doch ein festes Ziel verfolgt: Er will sein erstes Studio-Album seit 2001 promoten, das selbst für ihn, der seit fünf Dekaden im Geschäft ist, etwas ganz Besonderes darstellt. Sei es, weil er sämtliche Instrumente (Gitarre, Bass, Schlagzeug, Klavier, Flügelhorn) im Alleingang eingespielt hat – oder weil es seine erste Arbeit mit Hip-Produzent Nigel Godrich (Radiohead, Travis, Beck) darstellt.
„Wäre es nach mir gegangen, hätte ich weiter mit George Martin gearbeitet. Aber der ist in Rente, also musste ich mir jemand Neuen suchen“, erklärt der reichste Musiker der Welt ganz unverblümt. Und selbst, wenn er im Nachhinein schwer begeistert von Godrich ist, so hatten die beiden doch ihre Differenzen. Die gingen sogar soweit, dass Sir Paul ihn als „frechen, kleinen Wichser“ bezeichnete. Eine Äußerung, die er inzwischen bedauert, aber das Spannungsverhältnis bei den Aufnahmen verdeutlicht.
„Als ich die Songs für dieses Album geschrieben habe, wollte ich etwas ganz Besonderes, und habe mir sehr viel Mühe gegeben. Doch dann kam Nigel mit seinen kritischen Äußerungen. Etwa: ,Was ist mit der dritten Strophe? Da hast du dieselbe Bridge wiederholt. Kannst du nicht eine neue schreiben, damit das ein bisschen interessanter klingt?‘ Solche Sachen. Er hat mich total auf die Palme gebracht.“
Kein Wunder: Fast zwei Jahre lang bastelten die beiden an den 13 Tracks von „Chaos And Creation In The Backyard“. Und schufen so ein Werk, das einen komplett veränderten McCartney zeigt: Mit durchweg akustischen, warmen Songs in der Manier von John Mayor und David Gray sowie introvertierten Texten, in denen er sich und sein Leben analysiert: die glückliche Beziehung zur 35 Jahre jüngeren Heather Mills, die Geburt von Töchterchen Beatrice sowie sein fortgeschrittenes Alter, das ihn sichtlich beschäftigt.
„Mit Anfang 60 sollte man sich Gedanken darüber machen“, setzt der Ex-Beatle an. „Dabei hat der Tod an sich nichts Schlimmes. Ich habe schon so viele Freunde verloren, dass ich mich langsam daran gewöhne. Ich freue mich darauf, sie alle irgendwann wieder zu sehen. Das wird ein Heidenspaß.“
Und das scheint der Dreh- und Angelpunkt im aktuellen Schaffen der Pop-Legende zu sein. Dem Altmeister geht es nicht um Verkaufszahlen, Ego-Pflege oder Geld, sondern um den Spaß an der Musik. Nicht umsonst bricht er Anfang September zu einer umfangreichen Nordamerika-Tour auf – und spielt dabei immer mehr Stücke der seligen Fab Four.
„Jedes Mal, wenn ich die alten Sachen singe, denke ich: Das habe ich geschrieben? Mit 24? Wie bin ich bloß darauf gekommen? So ging es mir auch, als ich Sgt. Pepper’s bei Live 8 gebracht habe. Das war wie: „Wow, warte mal – It was 20 years ago today, Sgt. Pepper taught the band to play, they’ve been going in and out of style.“ (Deutsch: Heute vor 20 Jahren hat Sergeant Pepper der Band das Spielen beigebracht. Mal waren sie mehr, mal weniger angesagt.) „Eine coole Zeile, oder? Und dann: But they’re guaranteed to raise a smile.“ (Aber sie zaubern euch garantiert ein Lächeln ins Gesicht). „Ich musste innerlich lachen, als ich es spielte. Eben: Ja, das funktioniert noch immer.“
Weshalb der Klassiker von 1967 ab sofort fester Bestandteil der Live-Shows ist. Mit etwas Glück im nächsten Jahr auch in Europa. Dann aber nicht mit den irischen Superstars von U2 als Backing Band. „Mit denen habe ich zum letzten Mal gearbeitet“, so Sir Paul mit ernster Miene. „Das sind hundsmiserable Musiker. Das habe ich ihnen auch gesagt. Direkt ins Gesicht.“
Dann mustert er sein Gegenüber, legt die Stirn in Falten und lacht los. „Nein, nur ein Gag. Wir hatten eine Menge Spaß. Und es war sehr cool.“
So cool wie er, Pokerface Paul McCartney.
Quelle :WAZ
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