Re: John Cale – Paris 1919

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irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

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1. Child’s christmas in Wales (**** 1/2)
2. Hanky Panky Nohow (*****)
3. The endless plain of fortune (*****)
4. Andalucia (****)
5. Macbeth (****)
6. Paris 1919 (*****)
7. Graham Greene (**** 1/2)
8. Half past France (*****)
9. Antarctica starts here (*****)

Knisternde Spannung!

„Paris 1919“ ist ein ergreifendes Album. Auf undefinierbare Weise zwar altmodisch, aber dabei vollkommen zeitlos. Mich faszinert diese Mischung aus Bitterkeit und raumfüllender Wärme, aus Zynismus, Spott, Herzlichkeit und ulkigen Verstimmungen. Und mich berührt Cales Gesang hier sehr: Mal singt er mit seiner getragenen, charaktervollen Stimme im Erzählton, ebenbildlich zu den Arrangements des Albums wird der Ton aber auch harscher, mal beißend wie in „Macbeth“, mal fast spöttisch wie in „Graham Greene“ oder kehlig flüsternd, sobald das Eis in „Antarctica starts here“ die Töne abschwächt. Eine stolze, höchst erhabene Vorstellung. Noch größer sind allerdings all die Feinheiten die sich auf „Paris 1919“ versteckt halten: Die tröstliche Orgel im Opener, das dezente Tamburin in „Hanky Panky Nohow“, die Beschwörungen in „The endless plain of fortune“, mit seinen brodelnden Keyboardströmungen und Streichern, die immer beklommener werden. Oder die himmlischen Chorarrangements zum Ende von „Half past France“, ein Track, der so sehr funkelt, dass man danach den Sternenstaub vom Kittel schütteln muss. Mit „I’m not afraid now of the dark anymore/And many mountains now are molehills/Back in Berlin they’re all well fed/I don’t care/People always bored me anyway“ gibt es hier auch die mitunter schönsten Zeilen des Albums zu hören. Wunderbar auch, wie sehnsüchtig er die Zeilen überhaupt singt.

Besonders sind aber auch die Szenen, die alles andere als schön sind: Etwa die wirren Seitenschritte in „Graham Greene“, mit ihren wirren Percussion- und Bläsereinlagen, das warme Frösteln im angewärmten Eispalast von „Antarctica starts here“ oder schier alles im Titeltrack: Die Streicher, der erdende Bass, die tief gestimmten Bläser, die Fürst- und Feierlichkeit, das Vogelzwitschern, das Klavier und die verfremde Flöte – aufgeteilt auf einen Track, der in der zweiten Hälfte in ein aufblühendes Land verreist. Prächtig.

„You’re a ghost la la la
You’re a ghost
I’m in the church and I’ve come
To claim you with my iron drum
la la la la la la“

Grandioses Album.

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Hold on Magnolia to that great highway moon