Re: The Hidden Cameras ∙ Gleis22 (23|06|05)

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observer

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Queer Pop lebt. Und wie! Gestern konnte man es nachprüfen bei den Hidden Cameras in der Hamburger Weltbühne. Was für ein Konzert!

Die Vorband, deren Namen ich nicht mitbekommen habe, war eine Girlie-Punk-Pop-Kapelle mit naivem Charme und regionalem Rückhalt. Da waren schon genug Freunde von denen da, um es zu einem lustigen Auftritt werden zu lassen. Musikalisch nicht weiter erwähnenswert, aber eine belebende Einstimmung auf das darauffolgende Spektakel.

Nach dem letzten Auftritt der Kanadier im vergangenen November konnte man eigentlich nur mit einem tollen Abend rechnen. So frisch und mitreissend, wie ich sie damals erlebte, habe ich es auch wieder erwartet. Und meine Erwartungen wurden weit übertroffen. Die Band hatte ihren letzten Auftritt der Sommer-Europa-Tour und war entsprechend heiss gelaufen. Brüllend heiss war es auch im Club und erstaunlich willig war auch das Publikum, so dass sich fast von Anbeginn eine ungewohnte Partyatmosphäre breit machte. Nach den ersten drei Songs war jedes Eis gebrochen und zumindest in den vorderen Reihen gab es kein Halten mehr.

Die Band war in ähnlicher Aufstellung wie beim letzten Mal. Sieben Leute (darunter zwei Frauen), die aber nicht sklavisch an ihrem Instrument hängen, sondern gern mal zwischendurch an die Keybords oder ein anderes, für den Song notwendiges Instrument wechseln. Eine wichtige Säule des Hidden Cameras Sounds sind die Streicher (zwei Violinen, ein Cello), die weniger den sonst üblichen Teppich legen, sondern ausgelassen herumfiedeln, was das Zeug hält. Außergewöhnlich auch die wichtige Rolle des Vibraphons, oder besser gesagt der Mini-Variante dessen, die die Band mit auf der Bühne hatte. Und im Mittelpunkt natürlich Joel Gibb, ein schmaler, gut aussehender Typ Anfang 30, der zwar nicht der große Unterhalter zwischen den Songs ist, gestern aber merklich viel Spaß hatte, so dass man seine Aussage, dass es in Hamburg jedes Mal besonders gut sei, keinesfalls als hohle Floskel abtun kann.

Erstaunlich ist die ähnliche Auffassung bei kanadischen Gruppen in Bezug auf Band-Struktur und Lebendigkeit. Wie auch Arcade Fire oder Broken Social Scene setzen die Hidden Cameras auf das offene Kollektiv und eine zahlenmäßig größere Besetzung. Ich meine, diesmal zwei neue Gesichter in der Band erspäht zu haben, kann mich aber auch täuschen. (Wahrscheinlich wird die Band mal für ihren Violinisten-Verschleiss berüchtigt sein.) Bleibt die Frage, warum solch eine Häufung außergewöhnlicher und wirklich eigenständiger Projekte in Kanada möglich ist und in Deutschland nicht.

Aber was ist sonst noch erwähnenswert? Es gab während der 90 schweisstreibenden Minuten jedenfalls fast alle Hits der beiden Alben, dazu ein paar ganz neuer Stücke, die eben auf einer Demo-Single erschienen sind. Die roten Augenbinden wurden bei einem Song auch wieder getragen, Indie-Wigger feierte und mit Adam Green hatte man dann noch einen Ehrengast in der Weltbühne. Mein Hemd war komplett durchnässt, ich war glücklich und gehe damit mehr als zufrieden in die Konzert-Sommerpause.

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Wake up! It`s t-shirt weather.