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(Fortsetzung)
David Bowie – The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars (1972)
Für mich hatte Bowie Anfang der 70er mit Glam Rock nichts zu tun. Ich liebte ihn schon seit seinem 1969 Hit „Space Oddity“ und besaß alle seine Alben, „The Man Who sold The World“ hatte ich 1971 im Grabbel-Karton eines Plattenladens für DM 9,90 gefunden, die deutsche Ausgabe im legendären Poster Cover! Eine Zeitlang hing es bei mir an der Wand bis ich die Platte samt Cover an jemanden verschenkte, der Bowie noch lieber mochte als ich. Aber das ist eine andere Geschichte.
1972 dann performte Bowie zum ersten Mal „Starman“ in Top of the Pops. Er stand – voll aufgebrezelt – zusammen mit Mick Ronson auf der Bühne und als der schließlich Ronson umarmte, wird wahrscheinlich ein Raunen durch das Fernsehstudio gegangen sein. Denn das war nun wirklich sensationell. Zwar war man von den Protagonisten des Glamrock so einiges gewohnt (Steve Priest von den Sweet soll z.B. im Studio die perfekten Schmink-Tipps verbreitet haben), aber die Glam Rocker trugen immer nur eine Maskerade. Wenn die Show vorbei war, wurden die Glitzer-Klamotten ausgezogen und die Schminke wieder abgewischt. Aber Bowie war anders, war schon immer androgyn und seine Posen und Rollen waren echter und glaubwürdiger.
Vielleicht fällt es heute schwer, sich vorzustellen, wie einschneidend der Auftritt im Fernsehen und die Veröffentlichung von „Ziggy Stardust“ war – aber erst fünf Jahre zuvor war Liebe und Sex zwischen Männern legalisiert worden und das was Bowie da machte, war ein schier ungeheuerlicher Tabubruch. Die Welt war schockiert, Schwule und Lesben waren hingerissen. Daniel Ash von Bauhaus erzählt aus seiner Jugend: „I went into town next day. I was shaking when I went to buy that record. Because I knew it was going to change my life, and I didn’t know if I really wanted my life changed“. (zitiert nach „Q“).
„Ziggy Stardust“ ist ein Konzept-Album mit vielen spektakulären Songs, aber auch einer Reihe fast rein akustisch präsentierter Songs wie „Soul Love“ und „Starman“. Mein Lieblingsstück war natürlich „Rock’N Roll Suicide“, der faszinierende Schlusspunkt des Albums. Den Rock-Song „Suffragette City“ hatte Bowie zuvor Mott The Hoople angeboten, aber es fügte sich wunderbar in die Geschichte ein. Es ist eine höchst melodramatische Geschichte, die Bowie da erzählt: der Aufstieg und Fall eines Rock-Stars und es machte Bowie selbst zu einem. Ziggys Image klebte fest an ihm bis er sich schließlich davon befreite – auf höchst unkonventionelle Art. Von da an wechselte Bowie stetig seine Rollen und seine Fans waren immer wieder aufs Neue gespannt, aus welcher Puppe der Schmetterling das nächste Mal wohl schlüpfen würde (davon noch später).1972 wurde er jedenfalls zum Role Model für Schwule aller Nationen und veränderte ein bisschen die Welt.
(und wieder: Fortsetzung folgt, dauert z.Zt. alles etwas länger bei mir)
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When I hear music, I fear no danger. I am invulnerable. I see no foe. I am related to the earliest time, and to the latest. Henry David Thoreau, Journals (1857)