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1. Marvin Gaye – Here, My Dear
Diese Platte sucht im Soul ihresgleichen. Ein Scheidungsalbum und dennoch Funk. Gebet und Fluch in einem. Nach den Höhenflügen und Exzessen der späten 60er und frühen 70er dokumentiert Here, My Dear einen an seinem Lebensstil innerlich gebrochenen, reumütigen und zweifelnden Marvin Gaye, der für sich in 14 Kapiteln die Anfange und das Scheitern seiner Ehe zu Anna Gordy – Tochter des Motwon-Chefs – nachzeichnet und in schonungsloser Selbstexegese den Punkt sucht, an dem alles schief ging, um es nächstes Mal besser machen zu können. In When Did I Stop Loving Me, When Did You Stop Loving Me? wird das Ehegelübde als unerfüllbar hinterfragt und neu geschrieben:
“So if a fresh new love comes in, I won’t say those words again
Instead I’ll say I’ll try to love and protect you
With all my heart as long as you want me to baby“
Worte können natürlich nicht beschreiben, wie herrlich ungewöhnlich Marvins Songs diesmal sind, wie sich seine Stimme in alle möglichen und menschenunmöglichen Höhenlagen schraubt, sodass auch der letzte Nerv bloßliegt, wie die Arrangements mit diesem – ihrem dominantesten Instrument – ineinanderfließen und eine Einheit bilden, die diesseits der Transzendenz liegt.
Kurzum: Eines der besten Alben, die ich ich in meinem Leben bisher gehört habe.
2. Serge Gainsbourg – Histoire De Melody Nelson
Zugegeben: Ich spreche kaum ein Wort französisch. Deshalb bin ich auch nicht in der Lage dazu, die Nuancen zu fassen, an denen die obszöne Tragik der Liebesbeziehung zwischen einem minderjährigen britischen Mädchen und einem älteren Herrn aus Frankreich sichtbar wird. Dass Gainsbourg hier seiner Beziehung zu Jane Birkin ein Denkmal gesetzt hat, ist hinlänglich bekannt.
Alles beginnt damit, dass das Lyrische Ich Melody mit seinem Rolls Royce („the spirit of ecstasy“)anfährt, und sich ihrer annimmt. Nach einem wilden Intermezzo, kehrt Melody verblüht heim und kommt bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Der Protagonist bleibt verstört zurück.
Soviel in groben Zügen zum Konzept. Das beeindruckende an Melody Nelson ist allerdings die Musik, oder: die Art und Weise, wie die scheinbare Unvereinbarkeit von Ästhetik und Perversion, Unschuld und Sexualität, aufgelöst wird. Bei der Begegnung beider Liebenden trifft ein hypnotisch pulsierender Bass auf ein Meer sich in unerreichbare Höhen schraubender Streicher. Diese Gegenüberstellung entspricht auch der Figurenkonstellation und gibt Melody Nelson sein charakteristisches Klangbild, zusammen natürlich mit Gainsbourgs mal lüsternen, mal verlustgezeichneten Flüstern. Rimbaud liest auf Speed ein Märchen von Oscar Wilde?
3. Dennis Wilson – Pacific Ocean Blue
1977 waren die Beach Boys längst tot. Nach einem kreativen Hoch Anfang der Siebziger, war man mit dem Riesenerfolg von Endless Summer wieder von den Schatten der Vergangenheit konfrontiert. Die Fraktion um die Herren Love und Jardine gewann die Überhand in einer Band, die längst keine mehr war, und fand sich freudig mit dem Schicksal ab, von nun an als Oldie-Kapelle durch die Lande zu tingeln: ‚America’s Band‘ war geboren. Brian driftete wieder ab, Carl lenkte, ganz Harmoniemensch, ein und Dennis? Dennis, dem die kreativen Freiräume nun endgültig untersagt blieben, machte sich endlich an die Umsetzung seines lang gehegten Plans: Ein Soloalbum.
Pacific Ocean Blue ist hoffnungslos überproduziert, wie nur Alben der der Siebziger es sind. ‚Klangwände‘ aus Synthesizern und Chören, die nur von seiner vom Leben (und vom Alkohol…) gezeichneten Stimme durchdrungen werden können. Mal rauh wie ein Reibeisen, mal mächtig wie eine Posaune, dann wieder zärtlich…River Song, Thoughts Of You, Time, Dreamer, You And I, End Of The Show: kein Song ist wie der andere. Mal öffnen sich Schlünde, mal greift er nach den Sternen.
Die Figur Dennis wird in all ihren Facetten, in ihren Widersprüchen, fassbar und es zeigt sich , dass seine Stärken und Schwächen, sein Talent und sein Untergang, in seiner Exzessivität gründen.
Pacific Ocean Blue ist vielleicht das nach Pet Sounds beste Album aus dem Hause Wilson. Der Rest ist Staunen…
Anm.: Pacific Ocean Blue ist im Moment leider nicht auf CD erhältlich
4-10 Unkommentiert
04. Gene Clark – No Other
05. George Harrison – All Things Must Pass
06. The Beach Boys – Sunflower
07. Neil Young – On The Beach
08. Stevie Wonder – Innervisions
09. The Pretty Things – Parachute
10. Harry Nilsson – Nilsson Schmilsson
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