Re: Pressemappe

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sido

Registriert seit: 22.03.2005

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hallo otis!
guter beitrag aus der süddeutschen, wenn ich auch nicht alle aussagen, die da getroffen werden, unterschreiben würde. aber tendenziell geht das schon in ordnung, was da geschrieben steht.
auch wenn das leicht einseitige auf aggro einschlagen, hier stellenweise mal wieder überhand zu nehmen droht, wie auch in dem taz-artikel zu fler, der in der woche vor der veröffentlichung von der „neuen deutschen welle“ erschien.
also das fler ein idiot ist, darüber müssen wir nicht diskutieren. der ist wirklich hohl, der typ und wahrscheinlich rappen ungefähr zwei drittel seiner fans besser als er. in dem fall ist dann wirklich image alles, und die clevere vermarktung durch specter erledigt ihr übriges.
aber sido sollte man nicht in einem atemzug nennen – denn zwischen so lächerlichen machtfantasien wie „neue deutsche welle“ und einer witzigen, aber durchaus nachdenklich machenden milieustudie wie „mein block“ liegen welten.
genauso schlimm wie fler ist inzwischen bushido geworden, der auf der zweiten „carlo cokxxx nutten“ nur noch darüber rappt, das er rap wieder hart macht und deine mutter fickt. na besten dank auch, anis!
ich hab mich fjen spätestens bei „electro ghetto“ mit so scheissaussagen wie „salutiert, steht stramm, ich bin der leader wie a“ (was, auf rückfrage bei bu, angeblich für Azad stehen soll – ja klar, alter! das glaubt dir doch keiner!) vom bushido-hören verabschiedet. das ist echt nicht mehr meine musik. so geil tracks wie „cordon sport massenmord“ und manche sachen auf „king of kingz“ und „bordstein“ vor zwei, drei jahren auch waren.
man muss auch die dummheiten, die fler sich rausnimmt, glaub ich in zusammenhang mit bushido sehen, denn von dem hat er (als sein backup-rapper) schliesslich alles gelernt was ihn jetzt „auszeichnet“. war bushido immer schon stolz aufs „kanacke sein“ und schimpfte halbe platten damit voll, das alle frauen „fotzen“ seien und fast alle deutschen rapper vor ihm nur „schwule zigeuner“, so muss patrick losensky aka fler eben auf die nationalität seiner mutter bezug nehmen, wenn es darum geht, irgendwie eine identity für sich zu schaffen. von fingerspitzengefühl zeugt das ganze deutsch-ding von fler natürlich alles nicht, aber wie gesagt: doof bleibt doof.
mit rechten tendenzen hat das auch bei bushido nichts zu tun (wie denn auch bei einem tunesier?), aber es ist und bleibt einfach ein zeichen von kompletter dummheit. da haben jungs in der schule nicht aufgepasst und sind auch noch stolz drauf. armes deutschland (und vielleicht noch schlimmer: armes berlin – denn das ist nicht die art, wie ich meine stadt repräsentiert sehen möchte in den medien).
sowieso nimmt die (gespielte) härte in deutschland immer mehr überhand. irgendwie hab ich so den eindruck, das vor allem aus dem untergrund nicht gutes mehr nachwächst in den letzten jahren, sondern nur noch irgendwelche gescheiterten existenzen über „schwule“, „zigeuner“ und sonst (angeblich) nicht-harte randgruppen herziehen bzw. die ‚uncoolen‘ rapper (also alle mit consciousness etwa) damit gleichsetzen.
auch eko taucht meiner meinung nach zu unrecht in der aufzählung in dem artikel auf, weil er einigermaßen was drauf hat und einfach eine andere wortwahl benutzt als etwa bushido (auch wenn er viel mit dem rumhängt).
ausserdem hatte eko die eier, sich am ersten mai auf den mariannenplatz zu stellen und den anfeindungen des publikums paroli (nämlich seine reime) zu bieten. der kann schon was, der ekrem – von daher war es mehr als schwach, als bei seinem auftritt eine massenschlägerei ausbrach und eko auch noch ’ne becks-flasche aufs auge bekam.
angefangen hat die ganze kacke mit leuten wie savas und MOR, das seh´ ich ähnlich wie der typ der den artikel geschrieben hat. weil damals bei savas halt zum ersten mal einer am mic war, der einen unglaublich guten style hatte, aber eben auch dabei so überhaupt keine aussage mehr. da wurde das hart-sein und auf „easy targets“ schiessen (wie schwule, sinti, roma, frauen und so weiter) quasi hoffähig mit im deutschen rap.
und was der mann aus treptow erzählt, das man als stinknormaler wegen aggro plötzlich abgestochen werden kann, hab ich noch nie so erlebt. das halte ich auch für quatsch. und ich glaub nicht, dass neukölln jetzt irgendwie so viel sozialverträglicher ist als treptow. weil ich kenne solche sachen, was er da beschreibt, eben nicht.
und kalusha ist sowieso der grösste sepp, der rumläuft (oder auch eben nicht – denn zur zeit sitzt er ja mal wieder ein). nix gelernt, so doof, das er sich bei seinen kleinkriminellen machenschaften immer wieder von der polizei erwischen lässt und rappen kann er auch nicht – das sind wirklich miese zukunftsaussichten in zeiten von hartz 4.
aber halt, dann fängt man halt an zu rappern, machen ja sowieso alle heutzutage, ungeachtet von talent, flows, skills und ähnlichem, was noch vor einigen jahren in der szene zählte… und schon ist kalusha, den noch vor einem jahr kein schwein auf der strasse kannte, halt der übelste ghetto-rapper. sicher, jungs!
und mit gerade einmal 4000 verkauften alben (und das obwohl der clip auf viva lief und alles) muss man natürlich auch irgendwie im gespräch bleiben – und das geht im hiphop immer noch am besten, indem man diejenigen disst, die gerade mal erfolg haben, in dem fall halt eben den zweitbesten rapper der nation, sido.
das ist ebenso billig wie langweilig wie vorhersehbar. aber hauptsache, man bleibt im gespräch. sind halt alles abgefuckte business-moves.
und was die verwahrlosung des jugendsprechs angeht, so gilt das sicherlich für gewisse kreise – aber eben nicht für alle. also von meinen homez sagt keiner „nigger“ oder „zigeuner“ oder so einen dreck (denn wir haben in der schule aufgepasst und wissen, was in deutschland mit diesen und anderen begriffen vor 60 jahren für eine scheisse ablief) – aber ich wohn‘ ja auch nicht in treptow… mal ganz davon abgesehen, dass ich nie so die zielgruppe für jugendheime war, sondern lieber zuhause gechillt habe.
ansonsten aber, wie gesagt, ein guter artikel zu einem wichtigen thema wie ich finde. ist schon schade, das hiphop immer primitiver wird – was auch der wahrnehmung durch „aussenstehende“ (also leute die meinen, fettes brot wären noch hiphop, wo die doch schon längst popmusik machen) nicht gerade förderlich ist.
hiphop ist nämlich eine weit gefächerte jugendkultur, die für jeden was zu bieten hat. sie bietet jungen leuten eine stimme, wie es zuletzt vielleicht der punk und vor 50 jahren der rock´n´roll geleistet haben.
und das jetzt einfach nur auf „ich fick deine mutter, ich stech dich ab“ und diesen ganzen dreck reduzieren zu wollen, ist erstens falsch und schadet zweitens einer musik und einer kultur, die mir und auch vielen anderen immer viel gegeben hat.
hiphop ist eine kultur, die immer schon für toleranz und zusammengehörigkeit stand. es geht um aussage, um styles – klar, auch um competition zum teil, aber das eben auch nur spielerisch und nicht mit auf´s maul hauen -, darum, einen teil seines lebens in lyrik zu verpacken.
wenn man in einem reihenhaus wohnt, dann sollte man das auch in seinen texten transportieren und nicht einen auf übelsten ghetto-mann machen.
hiphop gibt eben auch leuten, die nicht mit dem goldenen löffel im mund geboren wurden, eine stimme, eine bühne und eine öffentlichkeit. man kann auch ohne gitarre spielen zu können oder eine schöne stimme zu haben, die menschen erreichen – und das finde ich, als jemand, der auch nicht grad aus einem reichen elternhaus oder so kommt, richtig gut. das hat mich an hiphop auch immer interessiert – und deswegen ist das auch der soundtrack meines lebens.
aber all das, was hiphop seit 25 jahren auszeichnet, wird jetzt von so hohlen egomanen wie bushido und fler immer mehr in den dreck gezogen und ins falsche licht gerückt.
ups… mein beitrag ist zwar ein bisschen länger geworden, wie ich grade feststelle, aber ich hoffe es liest ihn doch jemand.
gruss, euer siggi :cool:

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ich verhandle nicht mit psychopathen[/b]