Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Solokünstler › Bruce Springsteen › Re: Bruce Springsteen
So hat es der Kritiker der Südwest-Presse gesehen:
KONZERT / Bruce Springsteen vor 13 500 Fans in Mannheim
Überlebensgroß zum Anfassen
Der Rocker gibt live noch immer alles, aber das ist weniger als früher
Image, Auftreten, Musik, Show, bei Bruce Springsteen passt alles zusammen, ist aus einem Guss: ein Rockheld der Massen. Nicht zuletzt eine Live-Legende. Einer, der alles gibt und dann noch einen draufsetzt. Mittlerweile ist aber auch schon nach zwei Stunden Schluss.
MAGDI ABOUL-KHEIR
MANNHEIM Zwei Tickets: 240 Euro. Anfahrt: ein voller Tank. Übernachtung: 90 Euro. Essen, Trinken, Fan-Shirts . . . „An die 500 Euro sind schon weg“, sagen die beiden Endvierziger. „Aber Bruce ist uns das wert.“ Für Bruce sind Andi und Sandra, er Kfz-Mechaniker, sie Kassierin, von Dortmund nach Mannheim gekommen. Für Bruce sind sie schon weiter gefahren. „Der Boss lässt seine Fans nicht hängen, und wir lassen ihn nicht hängen.“ Der Bruce ist Weltstar und „working class hero“ in einem – und jetzt wird er auf der Bühne anständige Rock-Arbeit abliefern.
Der „Boss“ und die E-Street-Band – sieben dunkel gekleidete Mann und eine Frau stark – sind sofort voll null auf hundert, mindestens. Die 13 500 in der ausverkauften SAP-Arena sowieso: ein kehlengewaltiger, textsicherer Riesenchor vom ersten Takt an. „Bruuuce“, das erinnert an „Uuuwe“, an „Ruuudi“, aber hier rollt der Rock, nicht der Ball. Und ein Springsteen-Act dauert länger als 90 Minuten. Der Bruce gibt live alles. Dafür lieben sie ihn.
Mit „Radio Nowhere“, der ersten Single des neuen Albums, geht es los, bald folgt dessen Titelnummer „Magic“. Es geht um Zeitgeschichte und Wahrheit, so eindeutig und direkt politisch war Springsteen selten. Die CD ist ein grimmiger, manchmal empörter Blick auf die geschmerzte amerikanische Seele in verlogenen, verlorenen Bush-Zeiten. Was ist nun mit dem „Promised Land“? Springsteen spricht von der schmerzenden „Selbstzersetzung“ seines Landes.
Dabei hat der 58-Jährige schon immer düstere Lieder geschrieben: ein Songwriter, der den Blick von unten behalten hat, der kleinstädtische Chronist amerikanischer Träume und Albträume, der selbst wieder im grauen New Jersey lebt, von Sehnsucht und Alltagsmühen erzählt, von Einsamkeit, Verbitterung und Dunkelheit: „Darkness on the edge of town“ von 1978 singt er.
Stark bei Stimme
Aber live geht es um Spaß, Energie, Zusammensein. Die gemeinsame Geschichte von Idol und Fans wird dabei stets ein bisschen weitergeschrieben. Gemeinsam werden sie grau. Gemeinsam singen sie jetzt. „Badlands“, „Reason to believe“, „Shes the one.“ Ein Springsteen-Konzert ist eine Feier hier und jetzt, zugleich Selbstvergewisserung und Rückblick. Er schöpft aus dem Vollen: 35 Jahre Rockkarriere, 15 Alben, davon fast 100 Millionen Stück verkauft.
Springsteen ist stark bei Stimme, wohldosiert bei „Long walk Home“, sich ausrockend in „Jackson Cage“. An der Harmonika verausgabt er sich bluesend, an der Gitarre verkünstelt er sich nicht, er geht lieber aufs Ganze: hemdsärmeliges, druckvolles Handwerk.
Die Gitarren treiben alles voran, kein Wunder bei Könnern wie Nils Lofgren und Steven van Zandt. Die Wurzel heißt Rock n Roll, voll aufs Gas, voller Körpereinsatz. Folk- und auch Country-Einflüsse schlagen immer wieder durch, Klavier und Orgel sind präsent, Soozie Tyrells Geige und Clarence Clemons Saxophon mischen mit, dazu das energische Schlagzeug: raumgreifender Sound. Pathos, Bombast ist nicht weit, doch wirkt das Musizieren vor allem kraftvoll bodenständig.
Wortwörtlich fliegend wechselt Springsteen die Gitarren, immer wieder duettiert er mit Steven van Zandt, gegen Ende dürfen sogar die Erstreihen-Fans in die Springsteen-Saiten greifen. Ein Überlebensgroßer zum Anfassen. Er spricht nicht viel, aber erreicht doch alle, deutet, winkt, lächelt, geht auf Tuchfühlung, nimmt Augenkontakt auf. So wie seine Songs meist gerade, einfach, eingängig aufgebaut sind, auf den Bauch zielen, so unmittelbar teilt er sich auf der Bühne mit. Persönliche Ständchen für 13 500 Kumpels. So kommt es rüber.
Und so kommt es an. Doch nach gut 90 Minuten (also doch) beginnt schon die Verlängerung, der Zugabenblock. „Girls in their summer clothes“, im Dezember „für die deutschen Mädchen“. Nochmal Hits, natürlich „Born to run“, mit dem es 1975 bei ihm so richtig abging, und „Dancing in the Dark“. Tausende tanzen im Licht. Zum Schluss Fiedeln und Tanzen zu „American Land“, es ist eben das Hauptthema.
Andi und Sandra schieben sich zum Ausgang. „Früher hat es der Bruce nicht unter drei Stunden gemacht. Bisschen schade, für das Geld.“ Aber ist doch klar: „Der Bruce wird älter. Wie wir auch.“
Erscheinungsdatum: Dienstag 04.12.2007
--
I'm pretty good with the past. It's the present I can't understand.