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So, steht zwar auch bei „Wiederhören…“ aber hier muß es natürlich auch rein:
Nach einem Jahr voll von Gerichtsverhandlungen, persönlicher und jeder Menge geschäftlicher Probleme mußte sich der 28jährige Bruce Springsteen im Sommer 1977 entscheiden: Sollte er zurückblicken und das Album aufnehmen, das er 1976 als Nachfolger von „Born to run“ im Kopf hatte oder sollte er nach vorne gehen, nicht zurückblicken und das Album machen, dessen Songs jetzt in seinem Herzen brannten. Intuitiv entschied sich Springsteen für letzteres, ganz gemäß einem der Outakes für diese Platte, der erst 20 Jahre später offiziell veröffentlicht wurde: „Don't look back!“
Die Platte heißt „Darkness on the edge of town“ und ist wohl DAS Werk Springsteens, das den größten emotionalen Wet für seine Fans besitzt. Dadurch, daß sich Springsteen entschied nach vorne zu gehen, ist der Bruch zwischen „Darkness…“ und „Born to run“ wohl größer als zwischen all seinen anderen Alben und zwar sowohl textlich, als auch musikalisch. Natürlich ist alles Vertraute noch da: das Glockenspiel, Clarence's heißeres Sax, Danny's soulige Orgel…aber im Gegensatz zu dem musikalischen Barock von „Born..“ wirkt hier alles gestraffter, kürzer, prägnanter. Und in der Tat hat Springsteen bei kaum einem anderern Werk so lange an Lyrics, Sound und Konzept gefeilt wie bei „Darkness..“. So wurden Titel, die für jeden anderen Künstler garantierte Hits gewesen wären (und auch wurden!!) wie „Fire“ (Robert Gordon, Pointer Sisters), „Rendezvouz“ (Greg Kihn), „Because the night“ (Patti Smith) vom Album wieder heruntergenommen, weil sie nicht zu der Story passten, die Springsteen erzählen wollte; auch besagtes „Don't look back“ wurde in letzter Sekunde durch den Titeltrack ersetzt und „The Promise“ wollte Springsteen nicht auf dem Album haben, weil zuviele Kritiker es in Zusammenhang mit dem gerade zurückliegenden juristischem Streit mit seinem Ex-Manager Mike Appel gesetzt hatten. Appel hatte Springsteen 71 „entdeckt“ und sich in einer Weise für ihn eingesetzt, die fast schon religiösem Wahn glich; in der Tat sagte Appel einmal: „Ich war wie Johannes der Täufer, der Bruce's Kommen ankündigen sollte“. Leider war seine Geldgier weniger religiös, aber dieses ganze Drama hier jetzt ausführlich aufzurollen, würde jeden Platz sprengen. Kurz gesagt: Appel wurde generös abgefunden und machte den Weg frei für Bruce's neuen Manager: Jon Landau!
Aber zurück zum Album: Die 10 Titel vom Opener „Badlands“ bis zum abschließenden Titelsong „Darkness…“ stellen einen inneren Zusammenhang her, wie wohl selten auf einem anderen Album – und das obwohl es kein Konzeptalbum ist. Es geht um das Erkennen von Grenzen und Realitäten und wie man sich trotzdem seine Träume und Hoffnungen bewahrt. Und zu diesem schmerzhaften Prozeß des Erwachsenwerdens hat Springsteen wohl ein paar der eindringlichsten und schönsten Zeilen geschrieben, die es im Rock'n'Roll gibt: „For the ones who have a notion, a notion deep inside..that it ain't no sin to be glad you're alive“ (Badlands) oder „I've done my best to live the right way, I get up every morning and go to work each day, but your eyes go
blind and your blood runs cold, sometimes I feel so weak I just want to explode, explode and tear this town apart, take a knife and cut this pain from my heart!“ (The Promised Land). Es gibt erstmals detaillierte Referenzen an die Arbeitswelt, genauso wie die Schrecken von Springsteens Vater-Sohn-Beziehung noch einmal glühend aufgearbeitet werden (Adam raised a cain, Factory). Aber über all dem schwebt – und das zeichnet Springsteens Arbeit immer aus – die Hoffnung, der Glaube, es zu schaffen, selbst wenn einem alles genommen wurde…und so läßt uns Springsteen mit dem letzten Bild zurück, als der Mann, dem alles genommen wurde, in der Dunkelheit auf diesen Hügel hinaufgeht, wir wissen nicht, was er dort finden wird..aber irgendwie haben wir die Gewissheit, das es nicht das Ende sein wird.
Mehr noch als das Album machte jedoch die Tour zur Platte Springsteen endgültig (zumindest in USA) zur Legende: Ein Jahr nach dem Tode des Kings konnte die Rock'n'Roll-Welt aufatmen, die Nachfolge war geregelt!! Und alle wollten ihn auf dieser monströsen Tour (vom 23.05 – 31.12. 78 waren Springsteen und die E-Street Band annähernd jeden Abend „on stage“, dabei meist über 3 1/2 Stunden) sehen, die „Darkness“-Tour gilt als eine der legendärsten Rock'nRoll-Tourneen überhaupt und für Springsteen selbst war es wohl die Tour mit den meisten „legendären“ Konzerten (wie z.B. in Seattle, als er nach 5 Zugaben und nachdem die Roadies schon angefangen hatten abzubauen, doch noch mal raustürmte und für knapp 500 Fans, die noch in der Halle waren, noch einmal eine Stunde spielte. Oder das Konzert im Winterland in San Francisco, bei dem er während „Backstreets“ mit Lynn Goldsmith abrechnete, die ihn eine Woche vorher verlassen hatte…oder die legendären 5 Nächte im Roxy in L.A. vor seinen Eltern und jeder Menge Promis von Nicholson, DeNiro, Browne – nachzuhören auch auf „Live 75-85“, für jeden Moment, den man erwähnt, bettelt ein anderer um Beachtung)
Ok, um zum Schluß zu kommen: „Darkness on the edge of town“ ist das Album, mit dem Springsteen all die Hoffnungen und Träume einlöste, die er mit „Born to run“ erstmals einem großen Publikum angeboten hatte und damit gleichzeitig ein Qualitätslevel geschaffen hat, das er – bis auf wenige Ausfälle – bis heute gehalten hat!
Für mich persönlich ist es DAS Album, das mir eine Identität, einen Sinn und Worte und Musik für all die Träume gegeben hat, die ich mit 15 hatte, aber nicht aussprechen konnte…..oder wie Bruce selbst während der 78er-Tournee sagte: „When I was a child, I thought every night, when Mom turned out the light, that everything will be allright…until I had to learn, that you have to prove it every night, prove it all night!!!“
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Saffer on myspace: http://www.myspace.com/stefansaffer