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NiteOwlähm, wer ist eigentlich Rolf Dieter Brinkmann?
Ich kenne selbst nicht so viel von ihm, aber ich versuche es mal:
Kurz: nichts für dich, vermute ich mal.
Etwas ausführlicher: Bevor man in den 90ern Autoren wie Stuckrad-Barre, Kracht, etc. „Pop-Literaten“ nannte , gab es schon mal eine Reihe von deutschen Schriftstellern, deren Werke als „Pop-Literatur“ bezeichnet wurden. Der bekannteste von ihnen war wohl der 1940 geborene und 1975 bei einem Autounfall ums Leben gekommene Rolf Dieter Brinkmann. Ob damals der Begriff „Pop-Literatur“ schon geläufig war (otis meinte, glaube ich, einmal, dass dies nicht der Fall gewesen sei), weiß ich gar nicht genau, allerdings gefiel Brinkmann für das, was er machte, der Ausdruck „Pop“ sehr gut, wie in seinem Essay „Der Film in Worten“ nachzulesen ist.
Für Leute, die sich ein bisschen mit Brinkmanns Literatur beschäftigen wollen, ist genau dieser Essay eine gar nicht so falsche Einstiegslektüre, wie ich meine, bekommt man in ihm doch einerseits des Autors Sichtweise zum Thema Literatur und deren gegenwärtigen (also damaligen) Zustand geliefert, andererseits aber auch gleich einen zumindest kleinen Eindruck von dem Stil vermittelt, der Brinkmanns spätere Literatur prägen sollte. In „Der Film in Worten“ nimmt Brinkmann eindeutig eine Gegenposition zu Hans Magnus Enzensberger ein, welcher kurze Zeit zuvor die Literatur für tot proklamierte und sie fortan nur noch als politische gerechtfertigt sah. Politisches Stellungbeziehen oder überhaupt eine derartige Inhaltslastigkeit lehnte Brinkmann ab und setzte stattdessen auf reinste Subjektivität und Sinnlichkeit. In „Schnitte“ wird dies beispielsweise sehr gut deutlich: große Inhalte und Themen scheint es nicht mehr zu geben, keine zusammenhängenden Erzählungen, dafür Sprach-, Satz- und Textfetzen, scheinbar wahllose Collagen, Cut-Up, Zitate etc. oder man kann sagen: kleine subjektive Momente, die zusammen einen Overkill an Eindrücken bedeuten, welcher schon mal in seiner bedrückenden Weise ein sehr ungutes Gefühl hinterlassen kann. Solche Momentaufnahmen sind auch die späten Gedichte Brinkmanns, die ich insbesondere aus dem fantastischen, kurz nach Brinkmanns Tod erschienenen Gedichtband „Westwärts 1 & 2“ kenne.
Konventioneller und damit sicherlich auch leichter zu verdauen sind hingegen, soviel ich weiß (kenne davon nur vereinzelte Gedichte), Brinkmanns frühe Arbeiten, so z.B. sein einziger Roman „Keiner weiß mehr“.
Und natürlich muss im Zusammenhang mit Brinkmann auch darauf hingewiesen werden, dass die amerikanische Underground- und Beat-Literatur jener Zeit auf ihn einen sicherlich entscheidenden Einfluss ausübte (zumindest der Einfluss von William S. Burroughs scheint mir unverkennbar zu sein). So war Brinkmann zusammen mit Ralf Rainer Rygulla der Herausgeber der beiden Anthologien „Silverscreen“ und (der bekannteren) „Acid“, die einen Überblick über besagte amerikanische Literatur boten. Im übrigen ist in „Acid“ auch der angesprochene Essay „Der Film in Worten“ enthalten.
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