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Hannoversche Allgemeine Zeitung
Totentanz
Aber sehr lebendig und so elegisch wie eh und je: „Dead can dance“ ist wieder da
Von Bert Strebe
Alles schwarz. Im Foyer der Kölner Philharmonie, auf den Gängen, in den Sitzreihen: Überall dominiert Schwarz. Schwarze Tüllkleider, schwarze Lederjacken, schwarze Anzüge, das kleine Schwarze, tiefschwarz gefärbte Haare, schwarz umrandete Augen. Die Gruftieszene ist stark vertreten, aber die der Operngänger nicht minder, und Mischformen gibt es auch: Ein mäßig junger Mann trägt schräge Koteletten, gedeckten Anzug, schwarze Krawatte – und darauf einen weißen Totenkopf. Es ist brechend voll, „Ausverkauft“ steht in Leuchtschrift über den Kassenhäuschen mit den beschäftigungslos schwatzenden Damen hinter den Scheiben.
Dann sitzen alle, es ist viertel nach acht, die Musiker kommen auf die Bühne, die Spannung entlädt sich in minutenlangem Jubel. Die ersten tiefen Synthesizertöne vibrieren durch den Raum. Feierstunde. Gottesdienst. „Dead can dance“ ist zurück.
Fünf Musiker zwischen Keyboards und Soundmodulen und Computern und Schlagzeug und Drehleier und Hackbrett und Gitarren und Glöckchen und einer ganzen Batterie von Percussion. Aber es geht vor allem um zwei: Lisa Gerrard und Brendan Perry. Die beiden sind „Dead can dance“, haben die Band 1981 gegründet, haben sich Ende der neunziger Jahre nach acht Studioplatten getrennt und nun wieder zusammengetan. Für wie lange, weiß niemand. Aber die Nachricht von der neuen Tour schlug kräftig ein, die Karten für die drei deutschen Konzerte am Wochenende in Köln, München und (heute) in Berlin waren im Handumdrehen weg. Wer sie jetzt noch sehen will, muss nach Riga oder St. Petersburg oder London fahren, oder im Herbst in die USA.
„Dead can dance“ heißt die Gruppe nach einer auf ihrem Debütalbum abgebildeten Ritenmaske aus Neu-Guinea, die die Übergänge vom Leben zum Tod und vom Tod wieder zum Leben symbolisierte; nicht immer zur Freude von Gerrard und Perry wurden sie wegen des Namens in die morbide Gothic-Ecke gesteckt. Aber da gehören sie nicht hin. Die Musik des Duos mitsamt seiner Verstärkung hat ihre Wurzeln im Mittelalter, im Barock, mischt elegische Klänge mit Rythmen aus arabischen und osteuropäischen Ländern, ist beeinflusst von der Musik der Kelten und der Maoris und der Aborigines und verarbeitet auch schon mal einen italienischen Tanz aus dem 14. Jahrhundert. Weltmusik? Jaaaa – aber auch wieder nicht: Viel zu eigen. Treibende Beats, Soundschleifen, monumentale Klangskulpturen, archaisch und artifiziell, düster und tanzbar. Wasser und Erde.
Als Lisa Gerrard zu „The Love that cannot be“ oder dem zum Niederknien schönen „Sanvean“ (von einer ihrer Soloplatten) anhebt und ihr wortloser getragener Gesang, nur von einem Synthesizer begleitet, warm und kräftig durch den Raum schallt, sind alle 2200 Besucher mucksmäuschenstill. Gerrard braucht keine Worte, nur Töne (obwohl sie auch schon Lieder in Aramäisch und Gälisch aufgenommen hat). Sie singt offen und spielerisch wie ein Kind. Manchmal aber macht sich die lange Livepause bemerkbar, dann tastet sich Gerrards Stimme ein paar Sekunden lang stolpernd in die Töne hinein, bis sie die Melodie findet.
Doch das ist weit weniger problematisch als der Gesang von Perry, der schon auf den Studioalben von „Dead can dance“ immer etwas gepresst klang und der nun manchmal geradezu röhrt. Nur wenige Stücke, in denen er den Ton angibt, gelingen ihm – beispielsweise „Severance“. Am schönsten ist es immer dann, wenn Gerrard alleine singt oder Perry sich auf das beschränkt, was er am Besten kann: Soundmodule anwerfen, Drehleier oder Bass spielen, allenfalls den dunkeln Hintergrund zu Gerrards vibratokräftigem Alt bilden. Sie hat ohnehin die spannendere Karriere seit der Trennung hingelegt, hat neben drei Solo-CDs die Filmmusiken (teilweise zusammen mit dem Hollywood-Starkomponisten Hans Zimmer) etwa zu „Gladiator“ und „Whale Rider“ geschrieben.
Nach anderthalb Stunden sagt Perry auf Deutsch „Gute Nacht“, das Publikum johlt und hört und hört nicht auf zu klatschen, und natürlich kommen die Musiker noch mal wieder. Die blaubefrackten Ordner, die überall herumwuseln, haben endgültig keine Chance mehr, die Fans vom Fotografieren abzuhalten (professionelle Lichtbildner waren gar nicht erst zugelassen). Und als Lisa Gerrard am Schluss „Hymn for the Fallen“ anstimmt, ein Schlaflied, steht der ganze Saal.
War das jetzt der Beginn einer neuen „Dead can dance“-Epoche? Nichts genaues weiß man nicht. Vielleicht wollten die Musiker auch nur Geld scheffeln. Die Karten kosteten zwischen 30 und 50 Euro, ein hübsches, aber nicht überragendes Programmheft 15 Euro. Neue CDs sind nicht angekündigt, allerdings konnte man eine Spezialabmischung des Konzerts in limitierter Sonderauflage bestellen – 30 Euro.
Es wird sich also gelohnt haben für die Gruppe. Fürs Publikum aber auch.
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