Startseite › Foren › Kulturgut › Print-Pop, Musikbücher und andere Literatur sowie Zeitschriften › Die Drucksachen › Das Comics-Forum › Comic-Empfehlungen › Re: Comic-Empfehlungen
latho
McCloud – Understanding Comcis
„Understanding Comics“ bleibt bis heute das prägende Werk über Comics und ein Werk, dessen Titel endlich einmal nicht zuviel verspricht.
Das Buch wird natürlich nach wie vor gedruckt, ich würde aber darum bitten, wenn möglich Carlsen für den dämlichen deutschen Titel „Comics richtig lesen“ abzustrafen und das Original zu kaufen.
Ich hatte mir Scott McClouds – Comics richtig lesen jetzt mal in der deutschen Übersetzung ausgeliehen. (In einer alten Ausgabe von 1997)
Sehr gut und wirklich allen, die sich ernsthaft für Comics interessieren, zu empfehlen. Die deutsche Übersetzung des Titels ist leider tatsächlich misslungen und (absichtlich?) irreführend, da es sich bei diesem Buch eben nicht um eine Gebrauchsanleitung für Comics handelt, sondern um eine Analyse des Mediums bzw. der Kunstform Comic. Ich würde daher aber auch umgekehrt davon abraten, jemandem, der nicht sowieso schon Comicleser ist, mit Unterstanding Comics diese Kunstform nahebringen zu wollen.
Fast alles, was Scott McCloud in Undersanding Comics behandelt, meint man zu kennen, das meiste davon nimmt man jedoch nicht bewusst war – jedenfalls nicht, wenn es gut gemacht ist. Erst wenn der Übergang von einem Panel zum anderen nicht funktioniert, wenn der Stil der Zeichnungen nicht zur Geschichte passt oder wenn die Kombination von Zeichnung und Text keinen Sinn ergibt, fällt dem Leser das auf. Erstaunlich, dass das meist aber doch funktioniert, denn selbstverständlich ist es ja keineswegs. Aber ein Medium wie der Comic muss sich eben beim Leser und damit auf dem Markt bewähren und kann sich nicht mit komplizierten Erklärungen rausreden. Wie es die bildende Kunst oft tut, wie ich hier einfach mal unterstelle. Damit hat Comic etwas mit Popmusik und Film gemein. McCloud macht in Unterstanding Comics das unbewusst wahrgenommene bewusst und erklärt wie es funktioniert.
Understanding Comics erinnert mich manchmal etwas an die Analyse des Mediums Film. Wenn es um Übergänge von Panel zu Panel geht, kommen mir die filmischen Mittel Kameraschwenk und Schnitt in den Sinn. Aber die Verwandtschaft der visuellen Medien Film und Comic ist ja offensichtlich.
Einen kleinen und vielleicht spitzfindigen Kritikpunkt habe ich jedoch: Scott McCloud setzt den Begriff Zeichnung mit Symbol gleich. Ich weiß, er differenziert das später noch mal, aber meines Erachtens besteht da ein grundsätzlicher Unterschied, so dass man das nicht gleichsetzen darf. Ein Symbol kann eine Zeichnung sein, muss es aber nicht und eine Zeichnung kann eine Symbol sein, muss es aber nicht. Genauer: Ein Symbol hat oft nichts mit der Abbildung des bezeichneten zu tun und umgekehrt. Eine Abbildung – und Comics bestehen zum größten Teil aus Abbildungen – ist in den meisten Fällen sogar explizit kein Symbol. Dieser Text hier besteht aus Symbolen (in diesem Falle Schriftzeichen), aber nicht aus Abbildungen. Man könnte im Falle der Sprache der Comics vielleicht eher von einer Kombination von Abbildungen und Symbolen (und deren Mischformen) sprechen. Wobei ein Comic sogar ohne Symbole auskommen kann, nicht aber ohne Abbildungen.
Soweit ich weiß, unterscheidet man in der Semiotik Symbole, Ikonen, Abbildungen und was weiß ich noch alles voneinander. Spitzfindig, ich weiß, aber ich finde das ist für das Verständnis visueller Künste wichtig.
Eigentlich wäre ein Thread Comics – Sekundärliteratur nützlich.
--
„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)