Re: Fragen zur Literatur

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go1
Gang of One

Registriert seit: 03.11.2004

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IrrlichtAuf der Suche nach den Pyramiden wird er ausgeraubt, beschließt dann, den Lebensplan vorerst abzubrechen („Die Sprache der Welt hat viele Gesichter und kennt viele Wege“) und Kristallglasverkäufer zu werden. Darin ist er so gut („Man nennt dies Günstigstes Prinzip!“; S.59), dass er ein Jahr bleibt, wieder reich wird und sich erneut auf den Weg macht, denn der vorgeschriebene Lebensweg wartet – oder wie Melchisedek doch lehrte „Wenn Du etwas ganz fest willst, dann wird das Universum darauf hinwirken, dass Du es erreichen kannst“ (S.47). (…)

Fazit: Wäre Coelho ein Kinderbuchautor, könnte man derlei Späßchen noch nett abwinken, das ist der Herr aber nicht – sondern einer der meistverkauften Autoren der Welt. Literarisch? Auf Mittelstufenniveau. Spannungsbogen? Gibts nicht. Charakterzeichnung? Aber gar nicht. Glaubwürdigkeit? Kaum. Weisheit? Wenn man es sich ganz fest wünscht, womöglich.
Eine Ansammlung biederer Kalendersprüche, halbgarer Esoterikweisheiten, grobschlächtiger Konstruktionen (…) und allerlei Kitsch. Wie dieses Werk ein Weltbestseller werden konnte? Womöglich hat sich Coelho das einfach ganz, ganz fest gewünscht.

Sehr schön. Diese Besprechung ist nicht nur lustig, sondern auch lehrreich. Coelho (von dem ich nichts gelesen habe) ist offensichtlich ein Autor mit „Botschaft“, und die Botschaft lautet wohl: „Jeder ist seines Glückes Schmied; jeder wird sein Glück finden, wenn er wirklich, wirklich will.“ Und damit dürfte geklärt sein, warum sein Buch so erfolgreich geworden ist: Diese Botschaft ist genau das, was viele Leute hören wollen. Wenn es nicht die Sprache, die Spannung, die Charaktere oder die Ideen sein können, dann wird Coelho wohl seiner Weltanschauung wegen gelesen. Er ist „ein Autor, der Mut macht“, wie seine Fans wahrscheinlich sagen würden (ich kenne aber keinen Coelho-Fan, daher kann ich das nur vermuten).

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To Hell with Poverty