Re: Magic Marker Records

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klienicum

Registriert seit: 14.03.2005

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the premise unraveled ´98 (magic marker 003)
wenn studentisches magengrimmen im hörsaal vernehmbar wird, ist es meist nicht weit bis zur mittagssirene. ihr erschallen ist leider nicht immer ein moment des frohsinns, vor allem wenn der angehende akademiker sich nicht vollständig befreien kann von der erinnerung an das mahl vom vortag, das ihm durch die kantinenreiche offeriert wurde, dessen abgestandener geruch noch unverblümt am jacket klebt. eine nicht zu lösende divergenz aus vorfreude und dem zögern, das der ahnung innewohnt.
die zwei burschen von den vehicle flips – frank und tim, die unterstützt werden durch drei weitere jünglinge, versprechen auf ihrem erstling auch so manches – hier durch einen ansatz, dort durch einen akkord, anderenorts ist es ein ganzer titel, der schmackhaft machen will, was da in typischem indisound daherkommt. ich griene übers ganze gesicht, denn schon die nächste melodie schwant gänzlich uneben, bisweilen wird ihr die dichte genommen und schon schwingen die gitarren im freien. finessen sind eingebaut wie nüsse im griechischen naschriegel. kalkuliert ist hier nur, was nicht sowieso schon eins a sitzt. warum nicht jeder cantus schwingt, sich nicht jede wendung folgen lässt, lass ich offen. es bleibt mein hindernis, um dieses album vollends zu bejubeln.
ich bleib also zurück wie etwa der student, der sich hungrig bis zum späten nachmittag quält, weil er auf das mittagsmahl verzichtete, aber froh ist, weil er um das lunghaschee herum gekommen ist und sich in den nächsten minuten an der ecke brücken-, loscherstr. einen fetten döner zwischen die kiemen schlagen wird. ist das ein gänzlich schlechter, unangenehmer zustand? nö! deshalb werden 3 ½ sterne auch nicht verweigert, vor allem wegen der hoffnunsfrohen momente, des muts, der wagestücke, die sich im rahmen der begrenzten mittel zu einer wahren schau summieren.

for you i pine ´99 (magic marker 009)
oder von partys in fremden hütten
der einstieg gerät widerwillig, arhythmisch, vor allem aber zögerlich, als würden die jungs das haus bewußt durch die hintertür betreten wollen, um sich den wartenden gästen vor dem haupteingang in kindlicher freude von hinten zu präsentieren: dadaaa! „where the capitol flows“ kommt also mit mageren drums aus, die dort gegenarbeiten, wo eine brave stimme schönes erzeugte. mit dem zweiten titel wird’s flüssiger. die gäste sind eingetreten, wurden mit cocktails ausgestattet, die gastgeber fläzen bereits untätig in den ohrensesseln bzw. schrauben an der anlage auf der suche nach dem passenden stück.“city beautiful“ entwickelte sich aus der vorherigen nummer, schleicht, schrammt an der schrankwand vorbei, bleibt dadurch in erinnerung. viel braucht es dafür nicht, holperige drums, flüchtige gitarre. so schrammeln sich die jungs fort und wer da großes erwartet, wird enttäuscht, weil hier niemand eingeladen war, um bedient zu werden. die häppchen muss man sich schon selber machen. und aus der küche klingt mancher ton verwegen, manche note schräg. so geht der eine oder andere, verlässt unaufgefordert die party. wer dann gesättigt zurückkehrt, wird belohnt mit blankgeputzten gläsern, in denen sich ein köstliches gesöff dreht wie die meisten der melodien auf diesem silberling. im klassischen gewand kommen sie so unmittelbar und selbstverständlich daher, dass es manchem der anwesenden die hände in die hände des nachbarn treibt, aus rührung, besinnung, leichtem zweifel.
und falls noch der marschkapellentakt erklingt, reiht sich das volk und trimmt per polonaise das perserbelegte parkett. keiner der da hüpfte, denn eine gewisse form des gesittetseins, des gefälligen habitus ist ihnen inne.
später fällt auf dem flokati nur der blasse fleck auf. das haus, leergefegt, atmet noch einmal angeregt aus und schließt die augen. träum schön.
fazit: begierig warte ich nun auf mehr. vielleicht war´s das aber auch mit dem output. niemand verspricht etwas. die vier sterne sind verdient.