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1. Back In The U.S.S.R. *****
Zum einen außergewöhnlich, weil in Zeiten des Kalten Krieges sich jemand freut, in die UDSSR zurückzukehren, zum anderen ist es eine lustige Replik auf die Beach Boys und deren Feiern der US of A und der Califonian Girls.
2. Dear Prudence *****
Prudence ist die Tochter von Mia Farrow, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht. Wahrscheinlich derjenige Song der Beatles, den ich im bisherigen Lauf meines Lebens am meisten gehört habe. Und das sicher nicht, um mich immer wieder seiner Miesheit zu versichern.
3. Glass Onion *****
Top. In seiner Kürze, in der Ideenvielfalt, in der Selbstreferenzialität und in Ringos überirdischem Schlagzeug/-sound.
4. Ob-La-Di, Ob-La-Da *
Die Funktion von grottenbeknackten Liedern innerhalb eines Liederreigens ist ja der, einen Abgleich zu haben, mittels derem die übrigen Songs in einem relativ besseren Licht dastehen. So kann man auch „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ noch einen Sinn abringen.
5. Wild Honey Pie ***
Halbgares Herumgealbere auf Instrumenten in Greifnähe.
6. The Continuing Story Of Bungalow Bill ****1/2
Ist ein bisschen wie ein surreal aus dem Ruder gelaufenes Skript zu einer „Daktari“-Folge (ja, ich weiß, dass es in Afrika keine Tiger gibt).
7. While My Guitar Gently Weeps *****
Jahrzehntelang dachte ich immer, das „Hey-O!“ vom Ende von „Bungalow Bill“ sei der Anfang von „While My Guitar Gently Weeps“. Wer beschreibt meine Erschütterung? Darf ich zudem, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren, behaupten, Clapton Mitwirkung stellt den Höhepunkt seiner Karriere dar?
8. Happiness Is A Warm Gun *****
Der beste Freund von „Glass Onion“. Wenn man ausschließlich großartige kleine Ideen irgendwo noch herumliegen hat, dann kann man sie einfach aneinanderreihen und es kommt was Großartiges heraus. Der Trick ist: Die Ideen müssen unbedingt total großartig sein. Den Rest erledigen zufällig ebenfalls herumliegende Jagdzeitschriften.
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1. Martha My Dear ****1/2
McCartney muss wieder eine Geschichte zu Vaudeville-Musik erfinden, wie er es damals gerne tat, …
2. I’m So Tired *****
… während Lennon seine inneren Zustände zum Thema nimmt.
3. Blackbird *****
Jahrzehnte später hieß es, der Song wäre eine Metapher zur Bürgerrechtsbewegung. Was natürlich sehr gut und löblich ist. Aber als romantisch veranlagter Mensch fand ich’s auch ganz schön, zu meinen, dass es um eine Amsel ging.
4. Piggies ****1/2
Harrison’s Animal Farm. Mit Spinett für die feine Gesellschaft.
5. Rocky Raccoon *****
Simulation einer überlieferten Folk-Ballade. Gelungen.
6. Don’t Pass Me By ***
Weil ich Ringo mag, auch wenn er nicht die ganz große Nummer im Songschreiben ist, gibt es mehr Punkte, als ich in unmilderer Laune vielleicht vergeben würde.
7. Why Don’t We Do It In The Road? ***
Love-In-Nachwehen. Ein paar kurze, kräftige Zwischenrufe, bevor es wieder Sterne hagelt.
8. I Will *****
Liebeslied 1 (McCartney)
9. Julia *****
Liebeslied 2 (Lennon)
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1. Birthday *****
Warum ist eigentlich Stevie Wonders „Happy Birthday“ der offizielle Geburtstagssong im Pop-Wunderland geworden und nicht McCartneys „Birthday“? Dann könnten nämlich alle aus vollem Hals schreien ohne sich zu schämen.
2. Yer Blues *****
Lennons Genervtsein vom britischen saturierten Baden im Blues.
3. Mother Nature’s Son *****
So ein kleines großes McCartney-Ditty. Wo die Bläser von kleiner, bescheidener Perkussion übertönt werden, als könnte der kleine Mann der großen lauten Maschinerie etwas entgegenstellen.
4. Everybody’s Got Something To Hide Except Me And My Monkey ****
Verklausulierter Schabernack auf links gedreht. Ist eigentlich Beefhearts „Making Love To A Vampire With A Monkey On My Knee“ eine Antwort darauf?
5. Sexy Sadie *****
Auch wieder so ein Lieblingssong aus Lennons scharfer Feder.
6. Helter Skelter *****
Kolossalster Krach, den die Beatles fabriziert haben.
7. Long, Long, Long *****
Schön, wie hier die Soundquellen bassig zusammenfließen. Ringo ist auch wieder toll in den Breaks, die präsent sind, wenn man auf sie achtet, sich aber nicht aufdrängen, wenn man nicht auf sie achtet.
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1. Revolution 1 *****
Lennons Bedürfnis, etwas zur Revolution zu schreiben. Nur fand die Revolution gar nicht statt. Ist aber nicht seine Schuld. Gemessen an dem Thema eine recht lässige Version, die Single-Version klingt um einiges schärfer und elektrischer, wie hier sicher alle wissen.
2. Honey Pie *****
Ballroom-Music, die sich irgendwann in meinem Kopf mit dem Gesellschaftsfoto von Jack Torrance verband, das im Hotelfoyer des Overlook Hotels hängt: „My position is tragic/ Come and show me the magic“.
3. Savoy Truffle *****
Wie der Guru, der so viele Eiskugeln essen muss, um in einen bestimmten Bewusstseinszustand zu kommen – das ist zwar dann Lennons Geschichte, aber ich mag es, wie Harrison hier den zynischen Part übernimmt, den man eigentlich eher Lennon zugetraut hätte. Essen fürs Vergessen bis ihr kotzt. Der Bruder zum Schweinesong auf Seite 2.
4. Cry Baby Cry *****
Ein irgendwie unerklärlich guter Song, der einen im Traum verfolgen kann. Ich glaube, die Seite 4 des Weißen Albums ist das seltsamste, was die Beatles je aufgenommen haben.
5. Revolution 9 *-|~~~*
Lennon samplet und klebt sich seinen Schaeffer, gibt Stockhausen die Hand und Fluxus einen Kuss. Eno erwähnte mal, dass sich noch die größte Kakophonie als eine logisch aufgebaute Struktur einprägt, wenn man sie nur oft genug gehört hat. Aktuell gibt es laut WIRE eine DVD, die sich unter anderem damit beschäftigt, wie McCartney in den Sechzigern noch vor Lennon von der britischen Avant-Garde auf Stockhausen, Berio, AMM und Delia Derbyshire aufmerksam gemacht wurde (Going Underground: Paul McCartney, The Beatles And The UK Counter-Culture).
6. Good Night *****
Sounds – das längst verblichene Musikmag – empfand „Good Night“ in ihrem Supertotalverriss vom „White Album“ als vollkommen deplaziert und daher symptomatisch für das gesamte Album und dessen hilfloser Aneinanderreihung schlecht aufgekochter Ideen (aus meiner Erinnerung rekapituliert). Gute Nacht.
Fazit: Oberhalb der Messgrenze.