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Kopfkino:
Hauptdarsteller sind Mary und ich. Ich will mir nicht mehr länger den Vorwurf gefallen lassen, daß ich den Hintern nicht hochkriege, Mary ins Auto zu packen, um mit ihr durchzubrennen. Seit Monaten liegt sie mir damit in den Ohren, kokettiert damit, daß sie sofort los will und mit mir irgendwo weit weg ein neues Leben anfangen will, daß ich aber nicht will… Sie redet mir damit ein, genau der Looser-Typ zu sein, der ich in Wirklichkeit ja auch bin, den ich mit meinen vermeintlich coolen Sprüchen nur kleinrede. Aber ich will ein Held sein, will zumindest einmal ein Held sein, zumindest für meine Mary, und so packe ich meine Tasche, schmeiße sie auf die Ladefläche des alten Mercedes-Kombi und fahre zu ihr, stehe jetzt vor ihrem Haus… Was passiert?
Die Tür knallt, Mary tanzt über die Veranda, mehr ’ne Vision als Wirklichkeit. Ihr Kleid flattert im Wind, Roy Orbison im Radio, singt irgendwas für die Einsamen. Einsam? Hey, das bin ich, und nur du kannst mir helfen. Schick mich nicht wieder heim, mit mir alleine dreh‘ ich noch durch. Renn‘ nicht wieder rein. Du weißt genau, warum ich hier bin. Und jetzt hast du Schiss und du denkst dir: so jung sind wir auch nicht mehr, dass wir uns alles erlauben können. Du könntest mir mal ein bisschen vertrauen. Die Nacht heute ist eine Zaubernacht. Gut, du bist nicht grade ’ne Schönheit, aber das ist o.k. für mich.
Du kannst dich meinetwegen auch verkriechen und drüber nachdenken, was dir grade weh tut. Kannst ’ne Strichliste über deine diversen Lover führen, Rosen aus’m Fenster in den Regen schmeißen. Du kannst den ganzen Sommer mit beten vertun, dass irgendwo auf diesen versifften Straßen dein Retter antanzt, aber das hilft dir auch nicht weiter. Gut, ich bin kein Held, geb‘ ich ja zu. Und alles was ich in Sachen Erlösung und Rettung zu bieten habe, liegt unter dieser dreckigen Motorhaube. Also was bleibt dir und mir anderes übrig als das Fenster runterzukurbeln und uns den Wind durchs Haar fegen lassen? Die Nacht gehört uns, und diese zwei Fahrspuren bringen uns überallhin. Das ist unsere letzte Chance, die Engelsflügel gegen ein paar ordentliche Reifen einzutauschen. Also steig endlich ein. Der Himmel wartet da draußen. Komm jetzt, nimm meine Hand, wir gehen auf Jagd, wir jagen das gelobte Land. Die Straße liegt da wie ein Killer, der in der Sonne auf sein Opfer lauert. Ja, ich weiß, dass es spät ist. Aber es ist noch nicht zu spät. Also steig ein und halt dich fest.
Ich habe eine Gitarre, und ich hab‘ gelernt, mit dem Ding zu spielen. Und mein Schlitten steht da draußen. Also, wenn du in deiner Güte jetzt bitte den langen Weg zurücklegen wolltest, von deiner Vordertür zu meinem Vordersitz? Die Tür ist offen, aber die Fahrt ist nicht umsonst. Ich weiß, dass du einsam bist, und nur drauf wartest, dass ich dich frage. Aber heute nacht sind wir frei, heute nacht werden sämtliche Versprechen gebrochen. Die Typen, die du alle zum Teufel gejagt hast, was die in ihren Augen hatten, dass waren Gespenster, Hirngespinste. Die geistern jetzt am Strand rum, zwischen den Skeletten von ausgebrannten Chevrolets, und sie brüllen deinen Namen durch die Nacht, sie zerfetzen dein bestes Kleid, das von der Abschlussfete, und kurz vor Sonnenaufgang, wenn’s richtig kalt wird, und einsam, dann kannst du hören, wie sie mit dem Gaspedal spielen, ihre Motoren aufheulen lassen. Aber wenn du zu mir rauskommst, dann sind sie weg, fort. Also beweg dich endlich in dieses verdammte Auto. Diese Stadt ist voller Loser, und ich will endlich weg hier.
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Gott würfelt nicht.