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Die Buchpreisbindung ist ein völliger Anachronismus aus einer Zeit, als der Vervielfältigung von Geschriebenem noch physikalische Grenzen gesetzt waren. (Gab es meiner Erinnerung nach auch mal bei Schallplatten, als LPs z.B. grundsätzliche 22,- DM kosteten). Die begrenzten Ressourcen (Papier, Druck, Vertrieb) bedeuten automatisch privilegierte Zugänge, deren Kontrolle sehr gute Gewinne ermöglichen (bei Zeitschriften etwa das Anzeigengeschäft). Die Verlage sind da eigentlich genau wie Schallplattenfirmen, von denen viele ja auch mal als Verlage angefangen haben.
Die Buchpreisbindung ist dabei nichts anderes als eine offiziell zugelassene Kartellbildung, mit der Verleger früher stinkreich werden konnten (ja, die Zeiten gab es einmal). Heute macht halt zunehmend der gut organisierte elektronische Vertrieb den Reibach. Klar, dass das den alten Eliten stinkt, denn sie kriegen das Geld eben nicht mehr, das sie ja aber auch recht betrachtet eigentlich nie verdient hatten, zumindest in den teils erreichbaren, geradezu obzönen Höhen. Fragt doch mal ältere Autoren über Verlage oder Musiker über die Plattenindustrie. (Auch damals waren übrigens die lokalen Einzelhändler – ob Buch, ob Musik – in der Regel schon Schütze A…. des Ganzen. Da hat sich nicht viel dran geändert.)
Das ganze Geschmonze um die Buchpreisbindung ist mithin ebenso wie die irrsinnige Diskussion um die Verlängerung des geistigen Eigentumsrechte (die heute schon 70 Jahre betragen, ein technisches Patent läuft 7 Jahre) nichts anderes der verzweifelte Abwehrkampf alter Privilegien in einem stetig laufenden Verteilungskampf. Das Kulturgemache drum herum ist einfach nur die Ideologie dazu – „Rettet die Faustkeilindustrie!“. Es ist ein tragikomischer Treppenwitz, wenn sich selbst als fortschrittlich oder links definierende Menschen solchen Schmierenkomödien auf den Leim gehen.
Wer Amazon nicht will, muss eben andere Dinge unterstützen und nutzen. Ich sehe in einer digitalen Welt keinen wirklichen Grund, dass die Produzenten von digital zugänglichen Waren wie Musik oder Geschriebenem den Konsumenten nicht direkt oder über dezentralisierte Plattformen mit einem höherem Anteil für den Produzenten bedienen können. Dabei bleibt der Endpreis für den Kunden sogar günstiger, weil die vielen Zwischenstufen nicht benötigt werden. D.h., die Kulturindustrie kann eigentlich mit den heutigen Möglichkeiten besser als je umgangen und damit letztlich ausgeblutet werden. Auch die viel beklagte starke Formatisierung der Kultur durch Verwertungsinteressen könnte sich so auflösen. War das nicht mal der Independent-Gedanke?
Das schreibe ich auch manchen Musikern, die ihre Sachen nur über iTunes anbieten. Ich kaufe bei iTunes grundsätzlich nicht. Warum um alles in der Welt soll ich diese Wanzen fett machen? Richtig ärgerlich wird es, wenn unabhängige Kleinlabels mit viel Herzblut Vinyl pressen, die Scheibe 8 USD kostet, das Porto aus den USA aber 12 USD oder mehr. Digital bieten manche dieser Unternehmen aus ideologischen Gründen weder selber noch über Plattformen wie Bandcamp an (aber LPs zu den genannten Konditionen!). Auf Amazon aber gibt’s den Download dann für 7 EUR (fast immer!). Wie dämlich kann man sein? Das nennt man wohl sich selbst ins Knie schießen.
Ich gehe sogar auch in Läden dafür, um Sachen etwa aus den USA oder Australien zu bestellen, wenn’s geht (meist liegt dann der LP die CD mit den Daten bei). Manche der Sachen, die ich will, gibt es aber auch da nicht – aber auf Amazon. Einfach Sch…., was für ein Irrsinn! Ich fühl mich nicht besonders, wenn ich das letztlich nutzen muss. So überflüssig.
Auf Amazon kauf ich meist nur Elektronik, wenn sie da halt am günstigsten ist. Ob das dem Elektronikhändler meines Vertrauens gefällt? Eher nicht, aber das ist der Lauf der Zeit.
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The only truth is music.