Re: Cream

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Cream LIVE 2005

04. Mai 2005 Als Anfang November vergangenen Jahres im Musikmagazin „Billboard“ die Meldung auftauchte, „Cream“ planten eine Reunion, machte sich Skepsis breit. Warum sollte das vergötterte Triumvirat aus Eric Clapton, Jack Bruce und Ginger Baker den eigenen, bis heute unangetasteten Mythos aufs Spiel setzen? Warum sollte es nach all den angedeuteten und letztlich fruchtlosen Wiedervereinigungsgerüchten der letzten drei Jahrzehnte dieses Mal klappen?

Kurz vor Weihnachten sagte Eric Clapton der BBC, man plane für den Mai 2005 eine Serie von vier Konzerten in der Londoner Royal Albert Hall, jenem erinnerungsträchtigen Ort, wo das zu Tode geliebte Trio im Oktober 1968 seinen weltweit beachteten Abschied gegeben hatte. Die Zeit schien reif zu sein: Eric Clapton fährt seine Bluesernte ein und ist experimentierfreudiger denn je, Jack Bruce reformuliert auf seinen Solo-Alben verstärkt alte „Cream“Nummern; nur von dem zurückgezogen lebenden Ginger Baker waren keine neuerlichen Abenteuer bekannt. Dabei hatten die drei 1993 bei ihrer Wahl in die Rock’n’Roll Hall of Fame in drei Live-Nummern die alte Band-Chemie aufleben lassen.

Nicht so dickflüssig wie früher

[img]http://www.faz.net/imagecache/{B27E8773-E9C4-47BB-87C7-0B3ADC2E7A17}file2.jpegGinger Baker reagierte zurückhaltend auf die Ankündigungen eines Band-Comebacks

Doch die alten Wunden schienen nicht vollends verheilt. Ginger Baker reagierte auf Claptons Ankündigung mit den Worten: „Wir werden wieder zusammen spielen, aber wir müssen ja nicht miteinander reden!“ Zwar hatte der impulsive Schlagzeuger immer mal wieder mit Jack Bruce gearbeitet, und auch Clapton hatte den Kontakt zu dem Bassisten nie verloren, doch an die alte Gruppendynamik hatten sie sich nie wieder herangetraut. Würde man den psychedelisch aufgeladenen Bluesrock von einst auch im Jahr 2005 noch einmal über seine Grenzen hinaustreiben können? Der Erwartungsdruck auf das einst an eben diesem öffentlichen Druck gescheiterte Trio würde noch größer sein als vor siebenunddreißig Jahren.

Schon die ersten Takte von „I’m so Glad“ machen schlagartig klar, daß die Standing Ovations, mit der die Band am ersten Abend in der Royal Albert Hall empfangen wird, ihre Berechtigung haben: Mit saftigem Sound, nicht so dickflüssig wie früher, dafür aber transparenter und durchhörbarer, meldet sich das Trio zurück – gerade so, als hätte es nur einen Monat Urlaub seit seinen letzten Auftritten gemacht. Die Stimme von Jack Bruce ist von durchdringender Schärfe, immer wieder wird sein rauhes Bluestimbre mit dramatischem Vibrato aufgeladen. Bereits die zweite Nummer, „Spoonful“, gerät zu einem Lehrstück an hitziger Interaktion. Bruce zupft, ja reißt akkordische Strukturen aus den Baßsaiten heraus, während Eric Clapton mit einer einzigen klagenden Note seinen Höhenflug auf dem Griffbrett eröffnet. Baker donnert derweil mit zwei Bass-Drums und entfacht wahre Wirbelstürme.

Der beinahe unheimliche Energiefluß

[img]http://www.faz.net/imagecache/{82DBB89C-A3A5-43D1-BB54-F1F6BF69FE60}file2.jpegDie Stimme von Jack Bruce ist von durchdringlicher Schärfe

Erneut werden wir Zeuge eines musikalischen Wunders: Schon die strategische Allianz, die Clapton, Bruce und Baker 1966 schlossen, kannte nur ein Ziel: aus den drei besten Instrumentalisten ihrer Zeit in England sollte sich mehr als die Summe ihrer Teile ergeben. Als die drei, die damals noch bei erfolgreichen Bands wie John Mayalls „Bluesbreakers“, der „Graham Bond Organisation“ und Manfred Mann unter Vertrag standen, im März 1966 erstmals in Bakers Wohnzimmer jammten, sprang der Funke unmittelbar über und ließ wie in einer unvorhersehbaren chemischen Reaktion einen gänzlich neuen Explosivstoff entstehen.

Der beinahe unheimliche Energiefluß bei traumwandlerischer Interaktion und ständiger wechselseitiger Befeuerung schlug die Brücke von der britischen Blues-Bewegung über Psychedelic-Rock und Progressive-Pop bis zum Jazzrock der nächsten Dekade. Nie zuvor hatten bluesbasierte Rockmusiker so hemmungslos miteinander improvisiert und die Grenzen ihrer Instrumente erforscht. Mit der ästhetischen Ernsthaftigkeit von „Cream“ wurde die Rockmusik erwachsen, und Musikalität wurde hip. Zugleich lieferte Eric Clapton inmitten dieses Power-Trios das Rollenmodell für alle späteren Gitarrenhelden.

Kraftvolles Verwirrspiel

[img]http://www.faz.net/imagecache/{F8B7BF78-A52E-46E0-BFDB-21A65DB0E4FB}file2.jpegGlücklich, wer ein Ticket für die Konzerte in der Royal Albert Hall ergattern kann

Vier Jahrzehnte später ist der Zündstoff-Zauber erneut überwältigend. Clapton gestattet sich heute im Bannkreis dieser Intensitäten sogar filigrane Passagen. In „Sleepy Time Time“ entschlackt er mit der ganzen Weisheit seiner Musikerkarriere das Gerüst des Songs, um mit einem jublilierenden Solo eine neue, wunderbare Architektur entstehen zu lassen. „Pressed Rat and Warthog“ wird vom schmunzelnden Ginger Baker mit der Selbstironie eines weißen Rappers rezitiert. Nach einem beinahe swingenden „Badge“ verwickelt Clapton die Mitstreiter in eine lodernde Jam Session: „Sweet Wine“ heißt das Spielmaterial ihrer Improvisationslust. Mit lautmalerischem Mundharmonika-Spiel peitscht Bruce, wie von tausend Hunden gehetzt, das Trio durch „Rollin‘ and Tumblin'“. Dann folgt mit dem „Stormy Monday Blues“ ein bisher von „Cream“ nie gespielter Klassiker.

Das Programm verdichtet sich: „We’re Going Wrong“ wird zu einem fahlen Glaubensbekenntnis an zerstörerische Selbsterfahrung und Selbstermutigung. Mit pochendem Schlegelspiel umrahmt Baker den Klagegesang von Jack Bruce. Clapton steuert derweil Minidramen aus den höchsten Registern bei. Nach dem Robert-Johnson-Gassenhauer „Crossroads“ und einem verführerisch surreal anmutenden „White Room“ läßt sich Ginger Baker mit jugendlichem Leichtsinn zu seinem zehnminütigen Drum-Solo „Toad“ hinreißen. Die polyrhythmische Melodik, die er seinen Fellen entlockt und das kraftvolle Verwirrspiel aus Kreuz- und Gegenrhythmen entfachen in der ehrwürdigen Albert Hall einen wahren Orkan, auch an Begeisterung.

Es funktioniert noch immer

Vier Jahrzehnte nach ihren ersten Auftritten ist der Zündstoff-Zauber erneut überwältigend

Die heißersehnte Zugabe „Sunshine of Your Love“ bringt nach zwei Stunden alle Tugenden dieses singulären Trios noch einmal auf den Punkt. Wird die Strahlkraft der Liebe zunächst mit zärtlichem Geheul gewürdigt, so schält sich schon bald aus dem Zweisamkeitsbekenntnis eine heraufziehende Gewitterfront an Klängen heraus: In weiten Improvisationslinien vermählen sich die donnernden Drums mit den Blitzen aus zwei Griffbrettern, bis eine fast unwirkliche Atmosphäre des nie zuvor Gehörten die Bühne beherrscht.

Das Konzept „Cream“ funktionierte nie wie bei den „Beatles“ oder „Rolling Stones“ auf der Basis brillanter Songs; Harmoniewechsel hätten die Band nur eingeschränkt. Statt dessen vertraute man dem Liniengeflecht von Melodien und kontrapunktischer Spannung. „Cream“: Das war zuallererst ein Gefühl, eine Stimmung, eine triumphale Erfindung aus dem Augenblick. Es funktioniert noch immer.

(Der Artkel stammte aus der FAZ.)

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Wenn ich meinen Hund beleidigen will nenne ich ihn Mensch. (AS) „Weißt du, was ich manchmal denke? Es müsste immer Musik da sein. Bei allem was du machst. Und wenn's so richtig Scheiße ist, dann ist wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo es am allerschönsten ist, da müsste die Platte springen und du hörst immer nur diesen einen Moment.“