Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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Faves #3

Und schon habe ich ein Problem.
Eigentlich weiß ich gar nicht, wie ich weitermachen soll. Sprich: soll wirklich diese Liste ;) im Hintergrund stehen, dann bräuchte ich ja nur noch Singles zu „spielen“, die eine Chance auf vordere Ränge haben. Oder soll ich weiter meinen dicken Packen abarbeiten, obwohl da sicher einiges dabei ist, was bald keine Chance mehr auf einen der vorderen Plätze hat? Ich tendiere zu Letzterem, was ja auch dem Titel dieses Threads entspräche. Mit etwas strengerer Vorauswahl in Zukunft vielleicht?
Und, Pete, so sehr ich deine Vorlieben respektiere und so sehr sie sich auch, zumindest was die freakigeren anbelangt, mit meinen decken mögen, aber die Schnittmenge in diesem Thread wird recht klein bleiben. Sorry!


Them: It´s All Over Now / Bad Or Good D-Decca 1970

Eigentlich hatten Them den Song mit Van Morrison schon ´66 aufgenommen und auf einer LP veröffentlicht, ähnlich und zeitgleich mit den englischen Cops&Robbers. Aber er schlummerte auf dem Album vor sich hin und ist ein klassisches Beispiel für einen tollen Track, der keine Single war, und dann doch noch ganz groß rauskam. Als Single!! Wäre er keine geworden, kaum einer würde diese Version heute kennen. So dürfte sie beinahe jedem von euch geläufig sein. Allerdings habe ich schon ein paar Mal erlebt, dass man glaubte, es sei eine Aufnahme der Stones.
Ja, diese Single war ein Hit. Über Nacht und in Deutschland. Grund: die Ausstrahlung des Films „Die Rocker“ von Klaus Lemke im Fernsehen. Wegen meines notorisch schlechten Filmgedächtnisses lieber ein Zitat von der Website: „Der 14jährige Lehrling Mark wird nach dem Tod seines Bruders aus seinem geordneten und bis dahin wohlbehüteten Leben gerissen und in die rauhe Welt der Rocker, Zuhälter und Prostituierten gestoßen. Er macht die Bekanntschaft mit dem alternden Rockerführer Gerd. Zwischen den beiden entwickelt sich ein kumpelhaftes Freundschaftsverhältnis. Ein Grossteil der Szenen wurde von Klaus Lemke nach wahren Begebenheiten geschrieben. Sie bringen die Gewalttätigkeit der Rocker und den aggressiven Hass der Bürger zum Ausdruck. In diesem Film stellen sich Rocker und Zuhälter selbst dar.“
Ältere Forumianer mögen sich daran erinnern können, ich kann es nicht. Dennoch gab es nichts Eiligeres zu tun, als sich diese Platte zu besorgen. Dermaßen kongenial muss die Musik wohl die zerbrechliche, raue Schale der Rocker und ihre vergebliche (?) Suche nach einer Form von Geborgenheit zum Ausdruck gebracht haben, dass viele wie ich gedacht und gehandelt haben. Der Film war jedenfalls eins der Fernseh-Highlights der 70s.
Ja, und die Musik ist tatsächlich ganz großartig. Aber es wird kaum jemanden von euch geben, der sie nicht kennt. Ansonsten schnellstens besorgen. Am bestens als Single. Und von dem Film soll es Kult-Aufführungen geben.

Eine Bemerkung zum Thema Reissues etc.
Diese Single ist kein Reissue, obwohl sie erst ein paar Jahre nach Aufnahme des Songs als solche erschien. Sie ist keine von den Golden Oldies Serien/Die Großen 4/Original Jukebox-Oldies/Das waren Hits..-Ausgaben, die ab den 70ern geläufig wurden. Jan und Jedermann wurde da auf 7“ wiederveröffentlicht, mit meistens ziemlich lieblos gemachten Covers.


Dexy´s Midnight Runners: Geno / Breakin´Down The Walls Of Heartache D-Emi 1980

1980. Die große Punk-Welle war vorbei. Die ersten deutschen Bands machten auf Neue Deutsche Welle. Die ersten UK-Bands längst in Synthie und New Wave. Und da kamen die Runners und mischten die Szene von einer ganz anderen Seite auf. Keine Rockabilly-Kopie, was zu der Zeit in der etwas richtungslosen Szenerie ebenfalls angesagt war, als das Traditionellere, obwohl auch von beherzteren Bands wie den Meteors vortragen, aber ebenso von klassischen Lackaffen wie Shakin´ Stevens.
Nein, die Runners fanden einen ganz eigenen Weg zurück in die Gegenwart. Die 60s-Soul Musik, genauer: die englische Northern-Soul-Welle ausreitend entwickelten sie eine Musiksprache, die in keiner Weise Retro war, aber dennoch alte Werte hoch hielt. Es war definitiv kein Soul, hatte musikalisch praktisch nichts mit Namensgeber Geno Washington (und seiner Ram Jam Band) zu tun und dennoch, jeder spürte die Urkraft, die in dieser Musik lag, den schmutzigen dancefloor unter den stomping feets.
Angefangen von der (ge-fake-ten?) Live-Atmosphäre zu Beginn, über den straighten Beat und die kraftvollen Bläsersätze bis hin zum, ja das schlug irgendwie aus der Linie, exaltiert überzogenen Gesang Kevin Rowlands, war diese zweite Single (?) der Band eine ganz tolle Offenbarung.
Die LP „Searching For The Young Soul Rebels“ hat ja wohl jeder zu Hause stehen, ansonsten besorgt euch zumindest diese Single.
Auch die Flip ist Spitzenklasse. Dabei non-LP.
Das spätere Come On Eileen war ganz anders gedacht und kommt in meinen Ohren nicht ansatzweise Geno heran, obwohl es ein viel größerer Hit war.


Elvis: Tutti Frutti / Blue Suede Shoes D-RCA 1956

Kann man sich heute überhaupt noch vorstellen, dass zwei solcher Klassiker auf einer Single veröffentlicht wurden? Das ist kein Reissue, das ist die dt. Originalsingle. Die amerikanische hat die gleiche Kopplung! Und das ohne kommerziellen Hintergedanken, wie später etwa bei den Beatles oder anderen. Was hätte man denn als Flip-Seite nehmen sollen? Es war einfach alles Gold, was Elvis in der Anfangszeit machte.
In den Staaten ist Tutti Frutti die B-Seite, bei uns wird es eher andersherum gesehen. Hitparaden gab es seinerzeit in D noch nicht. Im Grunde ist es auch einerlei. So gut Tutti Frutti ist (ziehe sie Little Richards Original-Version vor), hat Blue Suede Shoes dennoch wesentlich mehr noch von diesem alte Sun-Rockabilly-Sound, der von RCA in seinem Purismus gar nicht mehr so gewollt war.
Und Carl Perkins hätte sich nicht grämen sollen, dass nicht er den großen Hit mit diesem Song hatte. Elvis´ Version ist einfach besser. Die Tantiemen dürften ihn entschädigt haben und das Zeug zum King hätte er ohnehin nie gehabt.

Apropos TRI-Center: Für angehende Sammler eine kleine Info.
Eine Single hatte in Deutschland und in den Staaten im Gegensatz zur LP immer schon ein großes Loch in der Mitte. In England ist das bis heute anders. Das führte dazu, dass es diverse Varianten gab, das Abspielen dieser Platten auf dem dünnen Mitteldocht des Plattentellers zu ermöglichen.
Zum einen gab es herausdrückbare dreisternige (o.ä.) Mittelstücke, die diesen Zweck erfüllten, oder es gab runde Mittelstücke aus Kunststoff oder Metall, die man auf den Teller legte und die Single darüber, wie es heutzutage gehandhabt wird, oder es gab diese Triangle-Center, wie oben abgebildet, die fest in dem Mittelloch fixiert waren, wie es auch noch sehr lange in ähnlicher Form (oft aber auch rund) im UK üblich war.
Der künftige Sammler sollte z.B. wissen, dass die frühen Original-Pressungen der dt. Elvis-Singles allesamt mit festem TRI (so wird es oft abgekürzt) gefertigt wurden, bei späteren Ausgaben von Tutti Frutti z.B. fehlt das dann. Und herausgedrückte TRIs machen eine Platte natürlich deutlich weniger wertig als intakte!
Und das sollte man auch noch wissen: viele Singles waren damals bis hoch in die 60s über Jahre hinweg im Katalog. Nicht so wie heute, wo das meiste schon nach Wochen oder spätestens Monaten wieder verschwindet. Die ersten Elvis- oder Beatles-Singles sind also nicht automatisch deshalb seltener, weil sie damals zu Beginn der Karriere noch niemand gekauft hätte.
In den 60s führte das dann dazu, dass manch eine Single mit verschiedenen Bildcovern erschienen ist. So gibt es z.B. Rock´n Roll Music von den Beatles, eine ihrer älteren Singles, mit einem „Hippiecover“. Sehr selten natürlich! Die Stones-Single-Covers gibt es auch in diversen Varianten!
Manches ist aber später kaum noch gekauft worden, weil die lieben Stars mittlerweile ein anderes musikalisches Level erreicht hatten und die Anfangsphase wohl nicht mehr so interessant war. Und auch aus diesem Grund: Singles kosteten schon in den 50´s 4,00-4,50 Mark, was ohne weiteres zwei Stundenlöhnen eines normalen Arbeiters entsprach. Wer konnte sich da schon alles Kaufbare zulegen!

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