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The Rolling Stones – Their Satanic Majesties Request (1967)
1. Sing This All Together ***
Mir gefällt, wie die Stones hier den ganzen Song über knapp und zielsicher neben den Harmonien spielen. Als hätten sie kurz vorher Ornette Coleman gehört. Ein windschiefes Sammelsurium unterschiedlicher Sounds und Instrumente, die für mich aber in ihrem geordneten Gewimmel alle irgendwie Sinn machen. Text ist Banane, aber egal.
2. Citadel ****
Das Silberhämmerchen nervt manchmal etwas mit seinem Plink. Andererseits finde ich es gut, dass die Stones damals noch mit Absicht so ein Nervgeräusch eingebaut haben, anstatt herkömmliche und ideenlose Rhythm’n’Blues-Verschränkungen zu spielen, wie später auf z.B. „Steel Wheels“. Toll das Break, wo der Sound aushallt und dann die Gitarre das Riff nicht von Anfang an spielt, sondern mittendrin einsetzt. Prima Idee. Sowieso ein guter Song, mit gutem Refrain und einem interessant arrangierten Psych-Chaos zum Ende hin.
3. In Another Land **
Anfangs schöner dynamischer Spinett-Einsatz (das muss man auch erstmal bringen, da Dynamik reinzubringen), bis plötzlich: Vollbremsung durch Bill Wyman, das singende Phlegma. Der Refrain, von allen gesungen, ist wieder gut und treibt schön, aber zwischendurch dann wieder leiert Wyman rum. Ich glaube, die Band spielt die ganze Zeit gegen ihn. Wirft in die dürftige Wyman’schen Song- und Gesangsdarbietung ein höhnisches „lalala“ ein und klebt am Ende noch eine Schnarcher-Aufnahme an. Das war’s meines Wissens mit Wyman-Songs auf Stones-Platten. Ich denke, die Welt hat nichts verpasst. Kurioserweise wurde der Song in den USA als Single ausgekoppelt. Muss gefloppt sein.
4. 2000 Man ***
Ganz hübsch. Gut und treibend ab da, wo alles anzieht („Oh, daddy, is your brain still flashing …“). Aber insgesamt ein wenig unvorteilthaft gealtert. Mehr fällt mir dazu im Moment nicht ein.
5. Sing This All Together (See What Happens) *1/2
Sie haben es alle zusammen gesungen, aber wie ich heraushöre, ist dann doch nichts Erwähnenswertes passiert.
6. She´s A Rainbow *****
Ganz starker Augenblick im Stones-Universum. Sowas wie ein überkandidelter Pop-Song, der auch sonisch einiges wagt, ohne die Rock- oder Rhythm’n’Blues-Schiene zu bemühen. Ich glaube, ich habe vor ein paar Tagen „Between The Buttons“ doch ein wenig zu hart bewertet, fällt mir dazu ein.
7. The Lantern **
Tolle erste Sekunden mit den Kirchenglocken und dem Arrangement aus Orgel und Akustik-Gitarre. Dann wird’s schwach, mit einer guten Stelle noch. Der ganze Quatsch mit der Laterne, die hochgehalten werden soll, ist spannungsfrei umgesetzt, runtergefahren auf ein Tempo purer Langeweile, die sich unter LSD womöglich für die Beteiligten wie Lichtgeschwindigkeit angefühlt haben mag. Ich schmeiß mir jetzt aber keinen Trip mehr ein, um mir das schönzubewusstseinserweitern. Der instrumentale Mittelteil mit den kosmischen Bläsern im Hintergrund und der sich wiederholenden Drum-Break-Figur von Watts ist gelungen, reißt hier aber den Gesamteindruck nicht mehr raus.
8. Gomper **
Bekanntlich war „Their Satanic Majesties Request“ ursprünglich als satirisches, gesellschaftskritisches Konzeptalbum angelegt, wurde aber so nur in Bruchstücken realisiert. Schatten (oder Fragmente) davon sind noch auf „Beggars Banquet“ und „Let It Bleed“ zu hören: Ich vermute, sowas wie „Jig-Saw Puzzle“, „Salt Of The Earth“ oder „Monkey Man“ haben ihren Ursprung in der Konzeptidee von „Their Satanic Majesties Request“. Was hat das Ganze mit „Gomper“ zu tun? Nun, das Positivste, das ich zu „Gomper“ sagen kann, ist, dass es womöglich verhindert hat, dass besagte Songs bereits für „Their Satanic Majesties Request“ aufbereitet wurden. Ihnen ist also eine womöglich halbgare, anpsychedelisierte Umsetzung erspart geblieben. Stattdessen wurden sie später zur vollen Blüte entwickelt, wie wir alle wissen.
9. 2000 Light Years From Home *****
Ich sprach schon andernorts von der Sehnsuchtstrilogie „2000 Light Years From Home“/ „Moonlight Mile“/ „Heaven“. Das überbordende, gleichzeitig futuristische und archaische Mellotron wurde meines Wissens von den Stones mit diesem Song in die Rockgeschichte eingeführt bzw. mit derjenigen Bedeutung aufgeladen, die dann viele progressive Musiker aufgenommen und fortgeführt haben. Insofern haben die Stones auch einen Credit als Prog-Vorläufer verdient. Für mich einer ihrer perfektesten Songs, wie die anderen beiden der Trilogie auch. Eine traurige Sehnsucht liegt in ihnen verborgen, mit der die Band – oder Mick Jagger vielmehr – das Rockstar-Image transzendiert. Eine Bloßlegung, nicht als selbstzerstörerischer Akt, der für alle sichtbar ist, sondern als ein Angebot: Schau dahinter, wenn du möchtest.
10. On With The Show ****1/2
Was man erst nicht so heraushört: Der Song hat einen guten Groove und eine feine Gitarrenarbeit. Sicher nicht ganz so elegant wie später dann auf „Memo From Turner“, aber ein kleines bisschen ähnlich klingt es. Nicky Hopkins konnte man wahrscheinlich zu jeder Tages- und Nachtzeit ans Klavier setzen, weil er ohne weitere Instruktionen einfach immer etwas zu spielen imstande ist, was passt, verbindet, ergänzt, akzentuiert, aufhorchen lässt und verbessert. Das ging bis „Goats Head Soup“ so, aber ganz besonders auf „Satanic“, „Beggars“ und „Bleed“. Und auch auf „On With The Show“ klimpert er zielsicher gut und sinnhaft (sofern er es ist, der spielt; ich habe es nicht recherchiert). Überhaupt ein schöner Song mit Jaggers Blechmegaphonstimme, dem Mellotron und dem Geklingel und Gewusel, als wäre man in einer Kneipe am Rande des Universums, in der alle Gäste komischerweise so aussehen wie betrunkene Arbeitslose zu Zeiten der großen Depression in, äh, – London?
Gesamt: ***, aber mit kräftigen Ausschlägen nach unten und nach oben.