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otisWillst du hier LSD hoch stilisieren oder was? Soo wichtig wie du es für das „gesamte kulturelle Leben“ siehst, war es nicht.
Stilisieren will ich gar nichts, so wie einige andere – u.a. gerne im Zusammenhang mit den Stones, die jüngeren meist mit Pete Doherty – hier im Forum etwa die harte Suchtdroge Heroin verharmlosen.
Ich will lediglich auf etwas hinweisen.
Unbestritten nachgewiesen ist, dass die Erfahrung mit halluzinogenen Drogen in dem Leben und Denken der entsprechenden Personen meist einen tiefen Einschnitt darstellt, der mit Änderungen in der Wahrnehmung einhergeht, und – dies ist in Langzeitstudien bereits in den 60er und 70er Jahren nachgewiesen worden – auch die Denkstruktur der Menschen signifikant häufig und nachhaltig verändert.
Wenn nun bspw. nach offiziellen Statistiken 1970 rund 14 Prozent aller amerikanischen College-Studenten LSD genommen haben – vergleichbare Zahlen findet man sicherlich für die anderer westlichen Länder in dieser Zeit ebenfalls -, dann bedeutet dies sehr wohl etwas für die gesamte kulturelle Entwicklung der westlichen Welt in dieser Zeit und den Jahren danach. Diese Schicht ist es in der Regel, aus der sich die weitaus meisten der „Kulturträger“ zumindest in der fraglichen Zeit rekrutierten. Man denke zum Beispiel mal an die englischen „Art Schools“, und wer da so alles herkam. Dazu kommt, dass es häufig die ohnehin kreativeren Menschen zu Drogen zieht.
Die deutlich verbreitertere Droge im Westen – sparen wir Nikotin der Einfachheit halber mal aus – war und ist natürlich Alkohol, die aber erfahrungsgemäß für die Kreativität weit weniger anregend und auf die Koordinationsfähigkeit bspw. von Musikern weitaus verheerender wirkt. Vor allem kann sie aufgrund der jahrhundertlangen Tradition kaum für den plötzlichen Kreativitätsschub in den 60ern verantwortlich sein – da wäre ja vorher sicher mal was passiert.
Es waren also insofern sehr wohl die Halluzinogene und insbesondere LSD, die in den 60ern und frühen 70ern die Furore in künstlerischer und kultureller Hinsicht wesentlich begleitet und befeuert haben – was denn bitte sonst? Selbst die Tapeten von 1972, die ich vor vier Jahren in dem von mir bewohnten Haus entfernen durfte, schrieen dies mit ihren braun-orangenen Riesenkreisen noch heraus – und das war nun wirklich populärste Prekariatskultur.
Die Ideologie rund um diese Erfahrungen war als „Hippie“-Ideologie im übrigen so stark, dass sie bis Mitte der 70er Jahre die Szene in den westlichen Ländern nahezu komplett beherrschte. Auch Glamrock mit seinen „Children of the Revolution“ bezog wesentliche Motive noch aus diesen Quellen. Und selbst Punk war als Gegenreaktion und -these immer noch fest an dieser Idologie verzurrt.
Erst die „New Wave“ brach das auf – „Tanz auf dem Vulkan“ -, in der Folge kam es zur Zersplitterung und ideologischen Heterogenität, die seit den 80ern herrscht. Zeitgleich wurde übrigens Kokain nach Alkohol die massenweise meistgenutzte Droge in den USA und Halluzinogene verschwanden in kleineren Subkulturen.
Was das noch mit Musik zu tun hat? Weiß ich auch nicht so genau, aber ich jedenfalls bilde mir manchmal ein, dass ich sehr wohl hören kann, auf was ein Musiker drauf war oder ist – das soll ja durchaus mal einen Ton beeinflusst haben. Wenn Dir das nicht so geht, ist das eben ein anderes Empfinden.
Aber mir irgendein Spinnertum zu unterstellen – da machst Du es Dir doch ein bisschen einfach, finde ich. In diesem Sinn.
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The only truth is music.