Re: The Rolling Stones – Their Satanic Majesties Request

#2416363  | PERMALINK

daniel_belsazar

Registriert seit: 19.04.2006

Beiträge: 1,253

Jan Wö@ Daniel_B.:
Z.B. bei Floyd: Pipers: Psychedelic, Ummagumma: Progressive
Hörst Du den gravierenden Unterschied nicht? Psychedelic stand Pop sehr nah. Progressive ist von Pop weit entfernt. Makes a difference.
Bei Hendrix: AYE/Axis: Deutlicher Psychedelic-Einfluss. Ladyland: Burning of the midnight lamp -> Psychedelic, aber der Track ist auch von 1967!!!
Byrds: YTY: Natürlich Psychedelic. Ist auch von 67! Notorious Byrd Brothers atmet Anfang 68 noch an manchen Stellen den Geist von 67, deutet aber auch bereits die Entwicklung hin zu Sweetheart dezent an! usw…

Natürlich höre ich jede Menge Unterschiede … hörst du die Gemeinsamkeiten?

Ich denke, wir führen hier eine ziemlich fruchtlose Nominalismus-Auseinandersetzung.

Du verstehst Psychedelic als Begriff sehr eng, bezogen auf die Popphase, und so wie es sich mir im Moment darstellt, mit starkem Fokus auf die englische Szene. Was ist mit den Dead, mit Airplane, fast der gesamten Westcoast – also da, wo es den Ursprung hatte? Das war purer Pop und danach war der Spuk und Spaß vorbei? Die Dead wurden dann eben mal schnell „progressive“ oder „jazzrock“ oder „experimentell“ oder „country rock“ oder was auch immer? Und die Airplane hüpften vom rudimentären Pop über „progressive“ LSD-Improvisationen wieder nahtlos zurück zum dann überhaupt nicht mehr psychdelischen Pop von Crown of Creation? Was soll das für einen Sinn machen?

Natürlich stand die frühe Psychedelic 1966/67 dem Pop sehr nahe – die Beteiligten kamen ja daher. Aber es ging doch genau darum, eben den Pop-Rahmen erstmals transzendierend zu sprengen und mit neuen Bedeutungen aufzuladen – was dann fast zwangsläufig zur Überschreitung und Sprengung aller als störend empfundenden Begrenzungen führt, beim einen mehr, beim anderen weniger.

Nimm als Beispiel Captain Beefheart mit Safe as Milk und dem eigentlichen Nachfolger Mirror Man. SaM noch sehr pop-verbunden mit kurzen Songs, aber in den Sounds und Text-Motiven bereits stark psychedelisch infiziert. Mirror Man mit ganzen vier Stücken in gut 40 Minuten. Kein Psychedelic, weil kein Pop? Nein, experimentell, sagen alle Schlaumeier! Aber was soll das denn heißen, „experimentell“? In welchem Sinn denn? Wofür? Da erschließt der Begriff Psychedelic und vor allem das, was dazu gehört, durchaus Antworten.

Was du Psychedelic nennst, beschreibt insofern für mich nicht mehr als den Urknall, der zum psychedelischen Universum mit all seinen Räumen, Planeten, und dortigen Unterentwicklungen führt.

Ummagumma Progressive? Ja, aber vor dem „Progressive“ steht ein (noch) sehr klar vernehmbares und ebendrum für mich primäres „Psychedelic“ – produziert von halluzinogen-erfahrenen Musikern für halluzinogene Drogen nutzende Hörer, mit dem positiven ideologischen Ziel: Die Erweiterung der Bewusstseingrenzen, hinter den „Pforten der Wahrnehmung“ angesiedelt.

Das änderte sich dann stetig, und die Übergänge sind natürlich fließend. Eine langjährige halluzinogene Erfahrung wird nicht mal eben so aus den Kleidern geschüttelt – häufig aber mit Hilfe anderer Drogen wieder überdeckt und zugeschüttet. Das war in vielen Fällen ab spätestens 1970 der Fall. Insofern: Atom heart Mother – Progressive mit psychedelischen Motiven.

Und übrigens, wenn man sich die Entwicklung der Stones anschaut, bzw. wie fast komplett unberührt sie musikalisch aus dem psychedelischen „Abenteuer“ hervorgekommen sind: Auch ein Hinweis darauf, dass es keine allzu tiefe Erfahrung gewesen sein kann – mit der Ausnahme einer Person vielleicht, die sie allerdings sehr teuer bezahlte.

--

The only truth is music.