Re: The Rolling Stones – Exile On Main Street

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zeno-cosini

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Der HofackerIch wollte mich ja eigentlich raushalten, aber ein kleines Statement mag ich mir nach Lektüre der letzten Seiten doch nicht verkneifen:

Manchmal geht es schlicht nicht um Geschmacksfragen oder die (ohnehin allenfalls semi-objektive) Bewertung von Musik. Es gibt nun mal Alben – und EOMS gehört zweifelsfrei dazu – die beispielhaft für Zeit, Raum und Spirit der Rockmusik als Stil, als Kunst und als Gegenwartskultur stehen (auch wenn die Stones selbst das nicht ansatzweise im Sinn hatten, als sie die Platte machten).

Wer an solchen – jawoll – Kunstwerken mäkelt, hat schlicht nix verstanden. Mona Lisa ist nach herkömmlichen Maßstäben schließlich auch kein schönes Mädchen.

Auch wenn das ein bisschen pathetisch klingt: Vor Exile muss man einfach in Demut den Hut ziehen und versuchen, die Platte zu verstehen. Dann öffnet sich ein heiliger Gral.
Bei mir hat das seinerzeit einige Jahre gedauert, zuerst wollte ich sie gleich wieder verkaufen (aber keiner wollte sie…).

Hmmm, da kann ich mir ein paar Worte auch nicht verkneifen: Wer an Kunstwerken mäkelt, hat nix verstanden? Man muss versuchen, die Platte zu verstehen? Sie sich erarbeiten, wie anderswo stand?
Ich weiß nicht, wie oft ich EXILE gehört habe (übrigens auf Vinyl, gekauft vor über 30 Jahren; meine CD-Ausgabe hab ich vor ein paar Jahren resigniert verkauft).
Da zündet für mich nichts, was sie zum besten Album des Jahrzehnts oder was auch immer machen könnte. Gute Songs wechseln sich ab mit Mittelmaß, gelungene Texte stehen neben beklagenswerten. Es mag sein, dass EXILE beispielhaft für eine Zeit steht oder einen Geist. Für die stärkste Phase der Stones steht für mich ganz oben STICKY FINGERS; da sind sie auf der Höhe ihres Schaffens, angetrieben von starken Bläsern und einem klasse Producer.

Es ist albern zu erwarten, dass man als Hörer immer den Zeitgeist mitzuhören hat, das Besondere, das eine Platte zum Zeitpunkt des Erscheinens besonders heraushebt. SGT. PEPPER ist im Werk der Beatles auch ein ganz besonderes Werk, das „damals“ nicht nur die Atmosphäre der Zeit vorbildlich einzufangen verstand, sondern den Horizont der Rockmusik in ungewohnte neue Sphären öffnete. Trotzdem gibt es nicht wenige, die diesem Album kritisch gegenüber treten und daran „herummäkeln“. Und das muss erlaubt sein. Die Surrealisten erlaubten es sich, die Mona Lisa zu stehlen, um Raum zu schaffen für die Möglichkeit, die damals gültige Lehrmeinung überhaupt mal zu hinterfragen, ob es richtig ist, dass die Mona Lisa das größte Meisterwerk aller Zeiten sei.
Ich finde diese Ausserkraftsetzung von Kritikmöglichkeit per se für albern. Aber dann jemandem, der diese „unberührbare Platte“ nicht devot liebt und als Nonplusultra verehrt, gleich „Ahnungslosigkeit“ vorzuwerfen, ist einfach nur…

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