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Pete bat mich, ein paar Worte zu dem Album „Zeit“ zu schreiben; einem Monolithen in TD´s Diskographie, der scheinbar sowohl endlos faszinieren, als auch polarisieren kann. Versuchen wir zu ergründen, warum.
Zunächst: Was ist das für ein Album?; über das Julian Cope ehrfürchtig sagt: „Es ist vielleicht nicht mein Lieblingsalbum von Ihnen, aber mit Sicherheit, jenes, dass ich am meisten gehört habe.“ …und: „…Der Raum, in dem man das Album abspielt, verändert sich umsehends. Diese Musik verändert die Atmosphäre eines Raumes, nimmt ihn quasi gänzlich ein.
Steven Wilson von Porcupine Tree sagt: „Selbstverständlich gehört auch die Krautrock-Ära in meine musikalische Sozialisation. Ich stand schon immer auf Bands wie Faust, Can oder Amon Düül II, aber fasziniert war ich vorallem von zwei Formationen. Neu! ist eine davon, Tangerine Dream die andere.
Ihr Album „Zeit“ ist der Inbegriff von Innovation. Die Scheibe klingt sehr experimentell, klanglich sogar fast primitiv. Aber sie basiert ausschließlich auf regulären Instrumenten wie Gitarren, Orgel usw. Deswegen wirkt diese Musik gleichzeitig so ungemein organisch.
Das Album füllt den Raum mit Atmosphäre, mit großen Gefühlen. Für mich ist „Zeit“ die beste Ambient- und Space-Scheibe aller Zeiten!“
Dem ist an für sich nicht mehr viel hinzuzufügen, wobei ich sicher nicht der einzige bin, der anfangs überhaupt keinen Zugang zu dem Werk finden konnte. Es sich im Plattenladen anhören und ergründen wollen? – ganz schlecht! Das ging bei mir zweimal daneben, aber beim zweiten Mal kaufte ich es (sehr entgegen meiner Gewohnheit!) trotzdem und das war das Beste was mir passieren konnte.
Die CD birgt den Luxus, dass man knapp 80 Minuten lauschen kann, ohne ständig die Platten wenden zu müssen – das kommt der Musik sehr entgegen.
Dennoch kann es zu Problemen führen. Das Ganze beginnt sehr düster/melancholisch und das muß man erstmal verdauen. Die ersten Minuten sind sehr abweisend und schwermütig. Das dürfte vielen schon zu extrem sein; man muß schon in guter Verfassung sein, um damit umgehen zu können.
Doch langsam kehrt eine gewisse Ruhe ein. Das Düstere bleibt bestehen, doch es vermengt sich mit einer seltsamen Entspannung. Man gelangt Stück für Stück zum Kern der Aufnahme und dieser Kern umschmeichelt Seele und Gemüt.
Man kann auch den Trick anwenden, die ersten beiden Songs zu skippen und ist sogleich im Klangnirvana der Tiefenentspannung – auch als erste Annäherung an die Eingangssequenz; doch so wie ich das Konzept deute, soll genau diese Anfangsreibung durchlebt werden, um dieses Hoch in der zweiten Hälfte noch intensiver auszukosten.
Ok, früher war der Zeitgeist wohl weniger schnellebig und man nahm sich diese Zeit für „Zeit“. Der allgemeine Streß war wohl auch etwas weniger verbreitet… Deshalb, wie schon erwähnt, kann es subjektiv schon mal etwas anstrengend sein, da hineinzufinden, aber ich denke der Aufwand lohnt. Man stößt auf ein Universum an betörend-intensiven Stimmungsbildern. Ein Album, so endlos wie ein klarer, entrückter, Nachthimmel.
Eine Herausforderung und ein Meilenstein für Klangreisende, deren Wagemut aufs Schönste belohnt wird…
Eine schöne Nebenanekdote ist, dass u.a. auch Florian Fricke / Popol Vuh und Jochen von Grumbcow / Hölderlin an dem Album mitwirkten.
Beim stöbern durch den Thread, fiel mir noch auf, dass zwei weitere, unverzichtbare Meisterwerke von Edgar Froese, noch keine Erwähnung fanden:
– Epsilon in Malaysian Pale (von dem Bowie und Björk große Verehrer sind)
– Macula Transfer (welches Froese dann Bowie und Iggy Pop gewidmet hat)
…aber Vorsicht!: beide Alben gibt es auf CD auch „re-recorded“ und abweichend zur Urversion!
Liebe Grüße und viel Freude beim Entdecken!
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