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SandheadMan muß regelrecht davor warnen. Das Buch gefährdet die Musikrezeption und überhaupt die geistige Gesundheit. Also lieber einen großen Bogen drum machen.
:lol:
Also, ich habe es (die Rede ist von „SOUNDS Platten 66-77, 1827 Kritiken) nun endlich für einen Haufen Geld erstanden. Und so wollte ich es ja auch. Wir hatten das Buch früher in der WG und wie das dann eben so ist, gehört es letztlich nur einem und der nimmt es dann mit in sein neues Leben.
Ich freue mich, dass ich es wieder lesen kann, denn es ist wirklich stellenweise köstlich – so in der Rückschau. Die Neil Young-Verrisse z.B. – das war den Sounds-Kritikern meist zu banal (die Gefahr überhaupt beim Country-Rock!) und Bernd Gockel schrieb über „Harvest“: „Harvest liegt im Niveau noch unter „After the Goldrush“ und ist nur rührseligen Heimchen zu empfehlen.“ Überhaupt hatten es C,S,N & Young schwer bei den Sounds-Kritkern.
Leichter hatten es dagegen alle Bands, die heute zum Prog gezählt werden und alles, was damals nach Musik mit Anspruch klang: ELO, Procol Harum, Man, If, Soft Machine, VDGG, Gentle Giant, Genesis, Jethro Tull, Greenslade, King Crimson, Wishbone Ash, Caravan und natürlich alle ernsthaften Krautrocker. Yes wurden anfangs gelobt, später (1974) dann eher doch als größenwahnsinnig bezeichnet.
Bahnbrechend waren 1973 die ersten Zweifel an der Musik von den Moody Blues – Karl Lippegaus kratzte da zum ersten Mal am Denkmal (hier bezogen auf die Texte): „Durch die ständige Befriedigung vordergründiger Bedürfnisse des Hörers, durch die Bestätigung seiner Erziehung im Sinne abendländischer Kultur mit der ihm gleichzeitig Verhaltensformen für diese Gesellschaft mitgegeben worden sind, durch die ständige Demonstration einer Welt, aus der niemand ausbricht, wo alle Gefühle auf ein vorgeschriebenes Maßheraubgesetzt worden sind, wird eine Überprüfung des eigenen Standortsdes Hörers in der Gesellschaft niemals auch nur erwähnt.“ (Seite 486)
Man sprach auch gern vom progressiven Rock-Fan, um sich so von den Pop-Hören abzugrenzen. Denn Pop war sowieso schlimm und schlecht und wurde auch eigentlich meist außen vor gelassen. Musik von Frauen und Schwarzen wurden prinzipiell en block besprochen (Ausnahmen: Joni Mitchell und Stevie Wonder). Erst Patti Smith schaffte es, die Aufmerksamkeit der Reszensenten zu erringen – man zeigte sich zutiefst verwirrt über Frau Smith und ihre Musik – aber auch interessiert. Und a 1977 war dann sowieso der Teufel los – in Form von Punk. Hans „Punk“ Keller gegen den Rest der Redaktion. Immer wieder gelobt übrigens: die Platten von Van Morrison und Steely Dan.
Lustig und lehrreiches Buch, persönlich miterlebt – so war’s tatsächlich.
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When I hear music, I fear no danger. I am invulnerable. I see no foe. I am related to the earliest time, and to the latest. Henry David Thoreau, Journals (1857)