Re: Eure persönliche Top 20

#2324527  | PERMALINK

go1
Gang of One

Registriert seit: 03.11.2004

Beiträge: 5,735

nikodemusIch sprach ja eigentlich von Sweet Deams, Watchtower ist natürlich eine Großtat, von Dylan und Hendrix.

Hihi, auf die Idee, dass jemand ausgerechnet bei „Sweet Dreams“ einen Nostalgiebonus vermutet, konnte ich doch wirklich nicht kommen. Das ist ein unvergesslicher Song, an dem alles stimmt: die Pose der illusionslosen Anti-Romantiker, die Stimme, die Autorität ausstrahlt, die Vokalisen, die für Nachdruck sorgen, die mitreißende Emphase des Tracks, die große Geste, der federnde Rhythmus – nach meinem Verständnis ist das perfekter Pop. Ich nehme den Track heute sicher etwas anders wahr als früher, aber das heißt nicht, dass ich ihn weniger mag.

Bender RodriguezGanz besonders interessiert mich, wie/warum es die Songs von den B52’s, Japan und Kraftwerk in diese doch sehr enge Lieblingssongs-Auswahl schafften. Vielleicht möchtest Du dazu etwas erzählen?

Bei „Nightporter“ habe ich es oben (#763) ja schon angedeutet: die originelle Synthese aus Erik Satie und Bryan Ferry ergibt einen Traum von einem Song. Wunderschön melancholisch. „Spiegelsaal“ ist für mich in gewisser Hinsicht nicht weit weg davon, trotz des andersartigen Arrangements: so minimalistisch und hypnotisch, wie ich es liebe, gemessen durch den Spiegelsaal schreitend (evoziert durch den verhallten Rhythmus), klar und transparent, aus überschaubaren Elementen gebaut, die alle markant sind. Ralf Hütters Sprechgesang dekliniert die Facetten des Spiegelthemas durch, zugleich sparsam und anregend. Und da Kraftwerk Meister darin sind, simple melodische Motive zu erfinden, die ans Herz greifen, ist der Track zum Sterben schön. Mit knapp acht Minuten fast noch zu kurz für mich; er könnte ruhig endlos weitergehen. Mein Lieblingssong von einem meiner Lieblingsalben.

„Rock Lobster“ dagegen ist deshalb auf der Liste, weil es einer der unterhaltsamsten Songs aller Zeiten ist. Alles daran ist liebenswert: Fred Schneider als verrückter Zeremonienmeister, der fabelhafte Gesang, die B-Movie-Orgel, der Drive, der Humor… Am liebsten mag ich die Phantasietiere und die Art, wie Cindy und Kate ihre Laute darstellen. „Here comes a… BIKINI WHALE!!!“

Carrot FlowerGo1, neben den vom Roboter genannten würden mich dann sehr Bert Jansch und die Smiths interessieren…

Ich höre gern Folk und „If I were a Carpenter“ ist ein klassisch schöner, zeitloser Folksong. Er klingt als sei er 100 Jahre alt und immer schon dagewesen, stammt tatsächlich aber von Tim Hardin und aus dem Jahre 1966. „If I were a carpenter and you were a lady / would you marry me anyway, would you have my baby?“ Meine Lieblingsversion des Songs ist die von Bert Jansch aus dem Jahre 1980 (vom ansonsten durchwachsenen Album Heartbreak): klassisch schlicht arrangiert, mit akustischen Gitarren, sanft dahinschaukelnd auf einem markanten Ostinato. Wenn es um die akustische Gitarre geht, ist Bert Jansch ohnehin einer meiner Lieblingsmusiker. Und seine leicht nasale und nölige, aber warme Stimme bringt von Natur aus das nötige Understatement mit.

„There is a Light that never goes out“ ist dann wieder ein Favorit aus Jugendtagen: der erste Smiths-Song, den ich je geliebt habe. Schwer romantisch, also genau das richtige für mich als Teenager: „to die by your side is such a heavenly way to die“, das kam mir damals absolut verständlich vor. Es gibt wohl keinen Song, den ich häufiger mitgesungen habe als diesen: „And in a darkened underpass I thought, oh god, my chance has come at last / But then a strange fear gripped me and I just couldn’t ask“. Aber auch ohne Identifikation ist es ein gültiges Statement über ein Adoleszenzthema, einfach ein Meisterstück: Andere hätten das gar nicht hingekriegt, eine so überspannte Phantasie wie die vom „ten-ton truck“ und „double-decker bus“ zu bringen, ohne das Pathos und das Ergreifende des Songs zu zerstören – Morrissey kann es.

--

To Hell with Poverty