Re: Napoleons Fragen zum Film – Ecke

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napoleon-dynamite
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Originally posted by DR.Nihil@5 Jan 2005, 16:49
Es hatte also vielmehr mit finanziellen und weniger mit künstlerischen (wovon ich immer ausgegangen bin) Gründen zu tun, dass er nach „Week-end“ einen anderen Weg beschritt?

Diese Lesart wirst du auch nicht oft finden, die meisten stimmen mit deiner (bisherigen) Meinung überein. Allerdings ist bei vielen Aussagen von Godard aus der Zeit von 1968 bis 1975 eben diese finanzielle Frustration zu hören, seine Projekte nicht weiterhin in dem altbewährten Rahmen machen zu können, sondern neue, begrenzte Filmmittel erfinden zu müssen. Nach Week-end machte G.de Beauregard, der Produzent, seine Taschen zu, und an dieser Einschränkung leiden die weiteren Filme. In der Regel wird allerdings immer beschönigend davon ausgegangen, dies sei nun mal der folgerichtige Weg Godards gewesen, sich und seine Filme weiterzu entwickeln. Liegt vermutlich auch daran, dass die Filme nicht sonderlich leicht auffindbar sind, und die Literatur sich mit dem Hören-Sagen begnügt. Nun ja.

Wie sahen diese Filme aus:Godard drehte nach einem kurzen Gastspiel in England (One plus One, eine Doku mit der Teilnahme der Rolling Stones, in die nochmal jemand Geld pumpte) bis 1975 vornehmlich in einem Kollektiv, namens Dziga Vertow-Groupe bestehend aus Filmemachern, Drehbuchschreibern und, nun ja, Künstlern (bsw. der spätere Politiker Daniel Cohn-Bendit). Finanzielle Mittel waren überhaupt nicht vorhanden, also wurde vornehmlich in einem direkten Verfahren, ohne Nachsynchronisation, Nachtaufnahmen, Mikrofonen etc. gedreht. Wer und was dabei war, wurde miteinbezogen. Die eigene Filmpolitik wurde zum Thema gemacht. Ein marxistisches Kollektiv. Godard war oftmals einer von vielen. Nicht selten einfach nur ein improvisiertes Abspielen von dem üblichen revolutionären Gedankengut in Bild und Ton, die Nachstellung einer Exekution der Bourgeoisie in einem Western nachgestellt bsw. („Le vent d´Est“). Oder Gedankengespinst aus Literaturverweisen („Lotte in Italia“). In „British Sounds“ filmt eine Kamera an einem Fliessband auf und ab. Die Hauptdarstellerin der Filme war übrigens vornehmlich die wirklich sehr schöne Anne Wiazemsky.

Eine Ausnahme gibt es aus dieser Zeit gibt es:Den Film „Tout va bien“, an der Godard als Co-Regisseur beteiligt war. Eine grosse, int. Produktion mit Jane Fonda und Yves Montand. Interessantes 70er Politkino. Zu Beginn wird der Plan offengelegt, was man gemacht hat, damit dieser Film ein finanzieller Erfolg werde. Er wurde es sogar einigermassen.

Die Filme aus dieser Zeit sind alle so gut wie nicht mehr erhältlich, ich habe die meisten gesehen, aber memorabel ist so recht gar nichts.

1975 machte Godard einen Neuanfang mit dem programmatischen Film „Numéro Deux“(Die Periode davor bezeichnete er als abgeschlossene erste) und wandete sich den Möglichkeiten von TV und Videoproduktionen zu. Noch einmal versuchte er die Gleichzeitigkeit und die Abhängigkeit möglichst vieler Dinge einer Gegenwart zu verbinden, und arbeitete bsw. mit mehreren Bildschirmen gleichzeitig. Auch hier wird die finanzielle Misere recht deutlich, zu dem Zeitpunkt versuchte er ua. Drehbücher für Filme mit DeNiro und Diane Keaton an F.F.Coppola loszuwerden. An sich nicht das Schlechteste, nichts an den einfältigen Bullen gebracht zu haben. Die Periode ist nicht ganz uninteressant.

Und 1980 gab es dann die Rückkehr ins kommerziellere Kino mit „Sauve qui peut (la vie)“, mit einer ganz neuen, sterilen Ästhetik. Aber das ist eine andere Geschichte.

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A Kiss in the Dreamhouse