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Originally posted by kramer@4 Nov 2004, 13:57
Ich möchte um ein paar fundierte Kommentare zu Pasolinis „Salò o le 120 giornate di Sodoma“ bitten…
Zunächst einmal habe ich ein sehr enges Verhältnis zu Pasolini, insbesondere zu seinen frühen Filmen (va. Teorema), deswegen fällt hier eine gewisse Allgemeingültigkeit (will sagen:allgemeingültigere Kriterien der Ästhetik, Handlung etc.) weg. „Salo“ ist eine schwierige Sache. Dem Film voraus ging Pasolinis sog. Trilogie des Lebens, eine Reihe von Filmen, die auf möglichst bewusst anspruchslose und erotisierte Weise das Körperliche feiern sollte, sich aber alles in allem eher in mystifizierendem Quark aus Antike, Fabel und Mittelalter verläuft. Pasolini selber schwor den Filmen nach Veröffentlichung ab, und machte mit „Salo“ einen Neubeginn, der seinen Ekel vor der Welt bündeln sollte, und die Geschichte des De Sade mit der Besatzungszeit des italienischen Faschismus verband. Als solches Vorhaben ist der Film zunächst einmal verständlich und interessant in seiner Absicht. Im Grunde ist allerdings eine ermüdende Abfolge von sich steigernden Folterungen daraus geworden, die keinen Verlauf kennzeichnen, sondern vielmehr das Gezeigte übertrumpfen wollen. Es ist immer der gleiche Ablauf:Eine Frau spielt Klavier, erzählt schnurrige Schweinigeleien aus ihrer Vergangenheit, einer der Männer mit verzehrtem Geilheitsgesicht schnappt sich darauf ein Kind und verschwindet. Dann werden irgendwelche Folterungen weitergeführt. Etwa zwei Stunden lang, bis zum Schluss nochmal sukzessive die Schraube angezogen wird, als ob das Gezeigte niemals ausreichen würde. Nicht Ekel wird abgebildet, sondern nur die Mühe diesen abbilden zu wollen. Ich finde deswegen den Film auch misslungen, aber als persönliche Verarbeitung Pasolinis hat er seinen Platz in der Filmgeschichte (und ist eine beispiellose Vorführung weltweiter Zensur), und als solche finde ich ihn auch interessant. Losgelöst von der Person des Regisseurs eine Unmöglichkeit.
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A Kiss in the Dreamhouse